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Hartz: mehr Schatten als Licht

Vermittlungsgutscheine »fast wirkungslos« - Ich-AGs positiv bewertet

Berlin (Reuters/dpa). Die Bundesregierung hat eingeräumt, dass wichtige Instrumente der Hartz-Reformen bisher kaum positive Effekte am Arbeitsmarkt zeigen.
Einem gestern vom Bundeskabinett in Berlin verabschiedeten Bericht der Bundesregierung zufolge haben Mini-Jobs, Personal-Service-Agenturen und die Maßnahmen zur Integration älterer Arbeitnehmer die Eingliederung Jobsuchender in den Arbeitsmarkt nicht verbessert. Kritisiert werden in der von mehreren wissenschaftlichen Instituten erstellten Expertise auch die seit 2002 ausgegebenen Vermittlungsgutscheine.
Zu einer positiven Einschätzung kommt der Bericht dagegen bei Ich-AGs, Überbrückungsgeld und den erleichterten Regelungen zur Zeitarbeit. Auch hätten sich Effektivität, Effizienz und Transparenz der Bundesagentur für Arbeit durch die Reformen deutlich erhöht. Das Arbeitsministerium bewertete den Bericht als überwiegend positiv. »Der Umbau der Arbeitsverwaltung ist auf einem guten Weg«, hieß es aus Ministeriumskreisen. Zudem wurde darauf verwiesen, dass es sich um eine erste Bestandsaufnahme handele. Eine verlässliche Bewertung der Instrumente lasse erst der zum Jahresende geplante Endbericht zu. Auf dessen Grundlage würden 2007 Änderungen in Angriff genommen.
Gleichwohl bietet der 280 Seiten umfassende Bericht wichtige Erkenntnisse für die in diesem Jahr anstehenden Entscheidungen, wie etwa für den Ersatz der auf Wunsch der Union auslaufenden Ich-AGs.
Die Personal-Service-Agenturen, über die Arbeitslose durch Zeitarbeit eine feste Beschäftigung finden sollen, hätten sich »nicht als erfolgreiches Instrument zur Verbesserung der Chancen von Arbeitslosen auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt erwiesen«, heißt es in dem Papier. Kaum Erfolge zeigten auch die Vermittlungsgutscheine, die Arbeitsuchende bei privaten Vermittlern einlösen können. Die Gutscheine seien »fast wirkungslos«, hieß es ergänzend aus dem Ministerium.
Ein Problem sei, dass viele private Agenturen sich leicht zu vermittelnde Personen auswählten, schwere Fälle jedoch abwiesen. Als »nicht so berauschend« kommentierten Regierungskreise zudem die Ergebnisse zur Integration älterer Arbeitnehmer etwa in Form von Entgeltsicherung oder Eingliederungszuschüssen.
Die Minijob-Regelung hat dem Bericht zufolge zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes beigetragen und wurde im Juni vergangenen Jahres von 6,7 Millionen Personen genutzt. Allerdings seien die Mini-Jobs für Arbeitslose »keine Brücke in voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung«. Dennoch hätten viele Menschen mit diesem Instrument aus der Schwarzarbeit geholt werden können.
Zu einem positiven Fazit kommt der Bericht bei Ich-AG und Überbrückungsgeld. Beide Instrumente seien geeignet, die Chancen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit zu erhöhen. Die Ich-AG biete gerade Personen mit geringeren Qualifikationen Unterstützung auf dem Weg in die Selbstständigkeit, hieß es. Darüber hinaus zählten Eingliederungshilfen in Form von Lohnkostenzuschüssen mit zu den wichtigsten und erfolgreichsten Instrumenten am Arbeitsmarkt. Auf Wunsch der Union laufen die Ich-AGs Mitte des Jahres aus. Mit der Überprüfung der Hartz-Gesetze hatte der Bundestag 2002 die Regierung beauftragt. Die Auswertung kostet zehn Millionen Euro.
Die umstrittene Hartz-IV-Reform, mit der das Arbeitslosengeld II eingeführt und der Vermittlungsprozess umgebaut wurde, wird gesondert ausgewertet. Die Hartz-IV-Reform hat im ersten Jahr an den Sozialgerichten zu einer beispiellosen Klageflut geführt. Wegen der Arbeitsmarktreform seien 2005 bei den Gerichten 52 088 Verfahren eingegangen, teilte das Bundessozialgericht (BSG) mit. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden 15 000 Klagen gezählt, wie diese Zeitung bereits gestern berichtete.

Artikel vom 02.02.2006