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Paradies für Schwarzgeld
Im hässlichen Georgetown auf Grand Cayman regiert der schnöde Mammon
Na, ein bisschen Schwarzgeld gebunkert? Aber nun, wohin damit? Luxemburg ist zu unsicher, Liechtenstein auch immer noch gefährlich nah. Wie wäre es mit den Cayman Islands, fernab in der Karibik?
Dort hat man sich ganz dem schnöden Mammon verschrieben - und das kam so: 1788 strandete ein Konvoi aus zehn Schiffen nahe den Blaslöchern, wo Luft durch die Brandungswellen komprimiert wird und dann unter hohem Druck in riesigen Fontänen gen Himmel schießt. Die Einwohner der Insel wuchsen bei Rettung der Schiffbrüchigen über sich selbst hinaus. Zum Dank befreite sie König Georg II. von allen Steuern. Und so ist das hässliche Georgetown auf der Insel Grand Cayman heute ein wahres Paradies für dubiose Steuerflüchtlinge, die ihrem Heimatstaat ein Schnippchen schlagen wollen.
Auf Grand Cayman gibt man sich jedoch nicht nur mit dem ganz großen Geld zufrieden. Ganz getreu dem Motto, dass ja bekanntlich auch Kleinvieh viel Mist macht, ist das kleine Stadtzentrum von Läden übersät, die zollfrei Luxuswaren verkaufen. Die Käufer schmuggeln die Ware dann in der Regel in ihr Heimatland ein. Und so freuen sich die Leute auf Grand Cayman auch ganz besonders über Regen, denn der treibt die potenziellen Käufer von der Straße in ihre Geschäfte. Und die kommen zu Tausenden. Drei bis vier Kreuzfahrtschiffe sind es täglich, die in Georgetown auf Reede liegen und ihre Gäste an Land tendern, ganz getreu dem Motto »Shop 'till you drop«.
Denn Sehenswürdigkeiten gibt es nicht. Die immensen Einnahmen, die aus Bankentätigkeit und Handel resultieren, werden nicht auf der schmucklosen Insel investiert. Folglich sieht man in Georgetown auch keine der auf den Cayman Islands registrierten Luxusyachten, die in den schönsten Häfen der Welt stets für Aufsehen sorgen.
Ob man nun die Elmslie Memorial Church gesehen hat, oder auf Grand Cayman fällt 'ne Kokosnuss von der Palme - das ist nicht wirklich bedeutend. Die Reste der Festung Fort George wurden 1972 aufgrund eines Streits zwischen einem Investor und den Planungsbehörden der Insel zerstört und sind nicht mehr der Rede wert. Das Heimatmuseum, prahlerisch »Nationalmuseum« betitelt, litt schwer unter Hurrikan »Ivan« und ist seitdem geschlossen. Die Schildkrötenfarm von Grand Cayman wird von Umweltschützern sehr argwöhnisch beäugt, denn dort werden eben nicht nur Brutprogramme verwirklicht, um Tiere in die Freiheit zu entlassen. Gezüchtet wird auch, um Schildkrötenfleisch zu gewinnen, Leder und Schildpatt zu vermarkten.
Bleiben also noch der Strand und das Meer. Wer von Georgetown zum Seven Mile Beach laufen will, wird schnell feststellen, dass nur die zahlenden Gäste der Hotels an den Strand gelassen werden. Öffentlich sind nur die weniger attraktiven Abschnitte. Allerdings kann man beim Tauchen und Schnorcheln in den Gewässern vorzüglich Rochen und Schildkröten bewundern. Und wer es ganz skurril mag: Auf Grand Cayman sind sogar Unterwasser-Hochzeiten möglich. Das Jawort wird auf Schiefertafeln geschrieben.
Thomas Albertsen

Artikel vom 11.02.2006