01.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Polizist rettet
Mareks Leben

Schon 2002 wies das Dach Risse auf

Von Eva Krafczyk
Warschau/Chorzow (dpa). Wenn Helmut Soppa den Kühlschrank öffnet, sieht er die Geburtstagstorte. Sieben Jahre alt wäre sein Enkel Tomek am Sonntag geworden. Doch Tomek starb einen Tag vor seinem Geburtstag in der einstürzenden Messehalle, zusammen mit Gabriela und Jan Knosal, Soppas Tochter und Schwiegersohn.

Als einziger überlebte der achtjährige Marek. Er stand einige Meter von seiner Familie entfernt, die einen Taubenkäfig in Augenschein nehmen wollte. Als die Decke einstürzte, entschieden diese Meter über Leben und Tod. Ein Polizist packte Marek, zog ihn aus der Halle. Das Bild ging um die Welt, und erst allmählich begreift der Junge, dass er nun nur noch seine 19-jährige Schwester Ewa und die Großeltern hat.
Das in allen Medien geschilderte Schicksal des Jungen rührt die Polen. Drei Tage nach der Katastrophe bekommen die Toten für die Öffentlichkeit ein Gesicht.
Immer wieder erhalten die Mitarbeiter des Krisenstabs Anrufe von Menschen, die helfen wollen, irgendwie. Mehr als tausend Männer und Frauen im ganzen Land haben Blut gespendet. Taubenzüchter studieren in den Krankenhäusern die Listen der Verletzten und besuchen Patienten. Die Vorbereitungen für die ersten Beerdigungen der inzwischen 65 Opfer haben begonnen, eine gemeinsame Totenmesse für alle Opfer wird überlegt.
Doch noch immer gelten fünf Menschen als vermisst, sind nicht alle der zum Teil schrecklich entstellten Toten identifiziert. Erst gestern fanden die Helfer bei Aufräumarbeiten in der Halle in Chorzow (Königshütte) bei Katowice (Kattowitz) drei weitere Leichen. Immer neue Berichte über gravierende Sicherheitsmängel und womöglich Fahrlässigkeit am Bau mischen Wut in die Trauer. »Sagt den Familien die Wahrheit!«, forderte die Zeitung »Nowy Dzien« die Messefirma in Katowice (früher Kattowitz) auf.
Das Dach sei seit den ersten Schneefällen im Dezember regelmäßig von Schnee geräumt worden, erklärten die Hallenbetreiber. Doch die mehr als zehn Zentimer dicken Eisblöcke vom Dach, die Justizminister Zbigniew Ziobro zu einer Pressekonferenz brachte, lassen das Gegenteil vermuten.
»Probleme gab es bei jedem Wetter«, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter der Zeitung »Rzeczpospolita«. Ein anderer berichtete, die Decke sei schon am Eröffnungstag der zu schnell und hastig gebauten Messehalle undicht gewesen. Zusätzlich eingebaute Stützpfeiler sollten der Konstruktion Halt geben, nachdem bereits im Jahr 2002 Risse am schneebedeckten Dach entdeckt worden seien.

Artikel vom 01.02.2006