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Heilung ist möglich -
und Hilfe kommt immer

Dr. Oliver Micke leitet Strahlenklinik des Klösterchens

Von Sabine Schulze (Text)
und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Die meisten der Patienten, die Dr. Oliver Micke sieht, kämpfen gegen eine schwere Krankheit: Das Gros von ihnen hat Krebs. »Aber wir können heilen und helfen«, sagt der Privatdozent. Seit drei Wochen leitet er als Chefarzt die Strahlenklinik im Franziskus-Hospital. Er ist Nachfolger von Dr. Friedrich Jentsch, der am 10. Februar verabschiedet wird.

Oliver Micke wurde in Hamm geboren, sein Studium absolvierte er in Münster. Dort folgten auch die klinische und die Facharztausbildung. Bevor er zum »Klösterchen« kam, war der Junggeselle Oberarzt in der Strahlentherapie der Universitätsklinik Münster.
Zur Medizin ist der vielseitig interessierte Arzt durch eine eigene Erkrankung gekommen: Er war nierenkrank, schon als Schüler dialysepflichtig und lebt heute mit einem Spenderorgan. »Ich habe positive und negative Erfahrungen mit der Medizin gemacht«, bilanziert er. Für seinen Berufsweg hat er sich aber weniger deshalb entschieden, weil er später der bessere Arzt sein wollte - vielmehr vermittelte ihm die persönliche Betroffenheit, wie umfassend dieses Fach ist. »Man hat viel mit Menschen zu tun, kann selber etwas bewegen - und wissenschaftlich interessant ist die Medizin außerdem«, sagt Micke. Regelmäßige Weiterbildungen, die Zugehörigkeit zu wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaften und der Besuch von Kongressen im In- und Ausland halten ihn auf dem neuesten Stand.
»Die Strahlentherapie kann heute schon viel, aber noch nicht alles. Die Zukunft wird noch präzisere Geräte und Therapien mit noch weniger Nebenwirkungen bringen«, prophezeit Micke. In Kombination mit Operation und Chemotherapie sorgt die Strahlentherapie heute dafür, dass der Krebs kein Todesurteil mehr ist. Die Geräte, mit denen Micke im Klösterchen arbeitet, gehören zur neuesten Generation. Einen Wunsch hat er dennoch: Die Erweiterung des Linearbeschleunigers um einen Baustein, der die »intensitätsmodulierte Radiotherapie« erlaubt. »Damit kann man die Strahlendosis im Raum so verteilen, dass sie sich um den Tumor legt. Das ist wichtig bei unregelmäßig geformten Karzinomen, da wir so noch gezielter gesundes Gewebe schonen.«
Unterstützt wird Micke derzeit von einem Facharzt und einem Physiker; ein Oberarzt und ein zweiter Physiker sollen hinzukommen. Außerdem ist die Strahlentherapie des Franziskus-Hospitals mit 4,5 Stellen für medizinisch-technischen Assistentinnen ausgestattet. Techniker müsse man nicht sein, schmunzelt der Mediziner, Spaß an Physik und Technik aber seien in seiner Disziplin nicht von Nachteil.
Nach wie vor haben Patienten Angst vor der Bestrahlung, erlebt Micke. »Dabei sind Verbrennungen oder der so genannte Strahlenkater längst Geschichte.« Kurativ, begleitend und palliativ, also um Beschwerden zu lindern, die vielleicht durch Metastasen (Tochtergeschwulste) ausgelöst werden, wird die Strahlentherapie eingesetzt. »Wir können nicht immer heilen, aber immer helfen«, betont der Chefarzt. Er selbst, der die Medizin ja auch schon von ihrer spitzen Seite kennengelernt hat, lebt nicht mit der Angst vor Krebs. »Ich kenne die Risiken und die Statistiken, aber auch die Chancen. Und: Man muss nach vorne leben!«
In seiner Habilitation hat Micke sich mit der Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen befasst. Denn immerhin 20 Prozent der Patienten, die zu ihm kommen, leiden nicht an Krebs. Sie haben schmerzhafte Skeletterkrankungen, die bestrahlt werden. »Das können der Fersensporn, ein Tennisellenbogen oder eine schmerzhafte Schultersteife sein.« Niedrig dosierte Bestrahlungen seien bei diesen degenerativen Erkrankungen, die oft mit Entzündungen einhergehen, oft sinnvoller als die langfristige Einnahme von Schmerzmitteln.
Für den neuen Chefarzt ist ein Zwölf-Stunden-Tag normal. Zum Klavierspiel kommt der Freund klassischer Musik nicht mehr. »Ich habe mir geschworen, damit wieder anzufangen. Aber das wird wahrscheinlich erst etwas, wenn ich in Rente bin.« Um sich fit zu halten, joggt und radelt der Fußballfan (das Logo von Schalke 04 ziert versteckt die Krawatte) und spielt Badminton. Den geeigneten Partner dafür sucht Micke noch - wie er auch noch im Wohnheim des Krankenhauses lebt.
Ansonsten hat er ein Faible für römische Geschichte (mit diesem Spezialgebiet ist er sogar schon in einem Fernsehquiz aufgetreten) und für Sprachen. Er beherrscht Latein, Altgriechisch, Englisch, Französisch und Spanisch, zudem ein wenig Italienisch und Japanisch. Letzteres will er intensivieren: Zum VHS-Kurs hat er sich schon angemeldet. Seine Liebe zu Sprachen hat der 38-Jährige auch während des Studiums und der Facharztausbildung nicht vernachlässigt und nebenbei sogar Allgemeine Sprachwissenschaften (Linguistik) studiert.
Und weil der Mann, der in seinem Fach schon mit renommierten Auszeichnungen (wie dem Günther-von-Pannewitz-Preis und dem Preis der österreichischen Radioonkologen) gewürdigt wurde, tatsächlich ein rundum interessierter, offener und neugieriger Mensch ist, widmet er sich auch der Fotografie und sammelt die Kunst der Inuit (Eskimos). Derzeit ersteht Micke sie in Galerien und bei Internet-Aktionen. Irgendwann möchte er sich aber die Zeit nehmen und nach Kanada reisen, hat er sich vorgenommen, um dort das Leben und die Kultur der Inuit kennenlernen und vor Ort Objekte zu erstehen.

Artikel vom 01.02.2006