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Hintergründig
über Tod und
Ewigkeit

Konzert des Musikvereins mit Predigttexten

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Synergieeffekte beschwört man gern in wirtschaftlichen Zusammenhängen. Auf gesellschaftlicher Ebene werden daraus gerne Kooperationen. Der Effekt ist jedoch der gleiche.

Aus Anlass des 100. Geburtstages des Theologen Dietrich Bonhoeffer veranstaltet die Altstädter Nicolaikirche eine Predigtenreihe. Der Musikverein wiederum sucht abseits seiner beiden turnusmäßigen Jahreskonzerte immer wieder die zusätzliche Herausforderung und somit ein Auftrittsforum. Beide Umstände fanden am Sonntag glücklich zusammen und ein großes, interessiertes Publikum dazu.
Dietrich Bonhoeffer, am 4. Februar 1906 in Breslau geboren und am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet, war ein evangelisch-lutherischer Theologe, ein profilierter Vertreter der Bekennenden Kirche und ein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Fest im Glauben verwurzelt, gleicht sein Tod dem eines Märtyrers.
Pastor Armin Piepenbrink-Rademacher umzeichnete zunächst die biografischen Stationen des Theologen. Mehr als Daten sagen jedoch seine Predigttexte und Gedichte über ihn aus, aus denen der Pastor der Altstädter Nicolaikirche -Êrhetorisch geschult -Êvorlas. Neben theologisch inspirierten Gedanken zum »Geheimnis Gottes«, zur Gnade und Geduld gaben besonders die persönlichen Gedichte einen Einblick in den Menschen Bonhoeffer mit all seinen Selbstzweifeln.
Dazwischen fügten sich die musikalischen Gaben thematisch wie stilistisch vorzüglich ins Bild. Auch Claudio Monteverdis hochsubtile Musik galt stets dem Ausdruck menschlicher Leidenschaften. Ein Neuerer wollte der Komponist nie sein. Gleichwohl gilt sein Werk als Schnittpunkt von Tradition und Fortschritt, Vollendung und Anfang.
Die Vertonung seines »Magnificat a sei voci« steht ganz im Dienst der Textdeutung, die im Wechsel von Chor und Solisten erfolgt. Reizvoll wurden hier im schnellen Wechsel auch monodische wie konzertierende Teile einnehmend zu Gehör gebracht, wobei der Chor besonders im »Sicut locutus est« mit lautmalerisch bewegtem Affetto glänzen konnte.
Beschaulichkeit dominiert in den »Musicalischen Exequien«, die Heinrich Schütz 1635 für die Beisetzung seines Landesherrn Heinrich Posthumus Reuß komponierte. Schützens Exequien gehören zu den überragenden deutschen Trauermusiken überhaupt -Êin ihrer Architektur, die wiederum vom Text bestimmt wird mit Worten des Alten und Neuen Testamentes, sowie in ihrer anrührenden Ausdrucksintensität. Diesbezüglich leisteten durchweg ausgezeichnete Solisten Erstaunliches, förderten im reinen, unmanirierten Gesang Hintergründiges von Tod und Ewigkeit wie eindrucksvoll ausgekostete Schmerzaffekte zutage. Gleichermaßen beeindruckten: Tanya Aspelmeier, Hedwig Voss (Sopran), Henning Voss (Altus), Knut Schoch, Steffen Wolf (Tenor) und Markus Flaig (Bass).
Wolfgang Helbich oblag es, Solisten und freudig erregte Chorszenen im straffen Dirigat zusammenzuführen, stets das kleine, aber feine Begleitensemble im Auge. Einzig die eisige Kälte in der ungeheizten Kirche schmälerte den ansonsten beschaulichen Genuss.

Artikel vom 31.01.2006