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Ausbildungspakt wird verlängert

Bilanz vorgelegt - Glos spricht von Erfolg - Gewerkschaften: enttäuscht

Berlin (Reuters). Die Wirtschaft hat im vorigen Jahr mehr als doppelt so viele neue Lehrstellen geschaffen wie im Ausbildungspakt mit der Regierung zugesagt. Der Pakt soll aus diesem Grund um weitere drei Jahre verlängert werden.

Statt der zugesicherten 30 000 neuen Lehrstellen wurden im Handwerk sowie im Bereich der Industrie- und Handelskammern 63 400 neue Ausbildungsplätze geschaffen, wie aus einer von den Paktpartnern gestern vorgelegten Bilanz hervorging. 40 000 Betriebe seien erstmals für die Ausbildung gewonnen worden. Trotz der großen Zahl neuer Lehrstellen ging die Zahl der neu abgeschlossenen betrieblichen Ausbildungsverträge im vergangenen Jahr um knapp drei Prozent zurück, weil mehr Lehrstellen wegfielen als hinzu kamen.
Die Gewerkschaften sprachen daher von einem Scheitern des Pakts und bekräftigten ihre Forderung nach einer Ausbildungsabgabe. Wirtschaftsminister Michael Glos nannte den Pakt dagegen einen »großen Erfolg« und sagte: »Wir wollen diesen Paket für weitere drei Jahre fortsetzen.« Darüber sei man sich einig.
Arbeitsminister Franz Müntefering, Bildungsministerin Annette Schavan und Glos zogen am Nachmittag in Berlin mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft sowie der Bundesagentur für Arbeit eine positive Bilanz des Pakts. Müntefering ergänzte aber: »Wir wollen besser werden, wir wollen ein noch größeres Angebot haben.« Der SPD-Politiker appellierte an die Gewerkschaften, ebenfalls zur Besserung des Lehrstellenangebots beizutragen, auch wenn sie kein Partner im Pakt seien. Eine Ausbildungsabgabe werde es nicht geben, dass sei politisch eindeutig entschieden.
Den Ausbildungspakt hatte die Wirtschaft im Sommer 2004 mit der Regierung vereinbart, um eine gesetzliche Ausbildungsabgabe zu verhindern. Darin hatte sie die Schaffung von 30 000 neuen Ausbildungsplätzen und von 25 000 Einstiegsqualifikationen zugesagt. Beide Seiten einigten sich nun auf eine Verlängerung über dieses Jahr hinaus.
Nach dem Gespräch mit den Vertretern der Wirtschaft erklärte Glos (CSU) nun: »Dieser Ausbildungspakt wird in der bewährten Form fortgeführt.« Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bezifferte die Lehrstellenlücke Mitte Januar auf noch 11 500. Das sei zwar eine deutliche Verbesserung gegenüber der Zahl von Ende September (28 300), gegenüber dem Vorjahresmonat aber eine Verschlechterung um 2000 Lehrstellen.
Von den zu Beginn des Ausbildungsjahres Ende September unvermittelten 40 900 Bewerbern waren im Januar noch 15 200 ohne Stelle. Gleichzeitig habe es noch 3700 unbesetzte Stellen gegeben. Neben zusätzlichen Ausbildungsplätzen wurden bis Januar 42000 Plätze für Einstiegsqualifikationen angeboten, mit denen schwer vermittelbare Jugendliche auf eine Ausbildung vorbereitet werden.
Von den 63 400 neuen Lehrstellen entfielen 38 400 auf Industrie und Handel sowie 25 000 auf das Handwerk. Unter dem Strich ging 2005 die Gesamtzahl neuer Ausbildungsverträge um vier Prozent, die der betrieblichen um drei Prozent zurück. Wegen der schwachen Wirtschaftsentwicklung fielen mehr Lehrstellen weg als neue entstünden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnte den Pakt weiter ab. DGB-Vorstandsmitglied Ingrid Sehrbrock sagte, bei dem Pakt sei die Latte zu niedrig gelegt. Bei den versprochenen 30 000 Ausbildungsplätzen handele es sich nicht um zusätzliche Lehrstellen, »sondern um Ersatz für wegfallende«. Darüber hinaus seien die 25 000 Einstiegsqualifikationen keine echten Angebote für Jugendliche, die eine Lehrstelle suchten. Das IG-Metall-Vorstandsmitglied Regina Görner bezeichnete den Ausbildungspakt als gescheitert.

Artikel vom 31.01.2006