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Minderjähriges
Mädchen um
Erbe gebracht?

Schon 1995 Vorwürfe gegen Notar

Von Christian Althoff
Herford (WB). Ein Herforder Rechtsanwalt und Notar, der ein Ehepaar um seine Millionen gebracht haben soll, sieht sich nicht zum ersten Mal Vorwürfen ausgesetzt. Wie gestern bekannt wurde, ist der Jurist bereits einmal verklagt worden, weil er als Testamentsvollstrecker eine 16 Jahre alte Erbin geschädigt haben soll. Der Anwalt hatte 1996 schließlich einem Vergleich zugestimmt und der Frau mehr als 100 000 Mark gezahlt.

Wie berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft seit mehr als einem Jahr unter dem Aktenzeichen 26 JS 866/04 wegen des Verdachts der Untreue gegen den Juristen. Die Behörde prüft, ob der Rechtsanwalt Geld und Immobilien im Wert von mehr als zwei Millionen Euro aus dem Besitz eines betagten Arzt-Ehepaares rechtswidrig auf sich, seine Frau und einen Sohn übertragen hat.
Jetzt wurde bekannt, dass es bereits in den 90er Jahren ähnliche Vorwürfe gegeben hatte. 1993 war der Inhaber eines bundesweit tätigen Polstermöbelhandels mit Sitz in Herford gestorben und hatte eine erst 16 Jahre alte Tochter hinterlassen. Vor seinem Tod hatte der Unternehmer den Herforder Rechtsanwalt zum Testamentsvollstrecker bestimmt und verfügt, dass er die Möbelfirma verkaufen und den Erlös der Tochter zukommen lassen solle.
Kurze Zeit später war aufgefallen, dass aus der Bad Salzufler Penthouse-Wohnung des verstorbenen Unternehmers verschiedene Gegenstände verschwunden waren. Dabei soll es sich um antike Möbel, Meissner Porzellan, antike Karaffen und Gläser, Teppiche und einen Fotoapparat gehandelt haben. Auch der Mercedes des Verstorbenen soll unauffindbar gewesen sein. Der Rechtsanwalt war deshalb mehrfach aufgefordert worden, ein Nachlassverzeichnis aufzustellen und Rechenschaft über den Verbleib der Wertgegenstände abzulegen - ohne Erfolg. Das Amtsgericht Lemgo hatte den Anwalt schließlich 1994 von seinen Aufgaben entbunden und einen Steuerberater als neuen Testamentsvollstrecker eingesetzt.
Diesen irritierte nicht nur der ungeklärte Verbleib der Wertgegenstände. Ihm fiel auch auf, dass der Herforder Rechtsanwalt dem erklärten Willen des Verstorbenen, die Firma zu verkaufen, nicht nachgekommen war. In der Klage, die der Testamentsvollstrecker schließlich beim Landgericht Bielefeld einreichte (Az.: 6 O 631/95), heißt es, der Anwalt habe sich damals zum Geschäftsführer der Firma gemacht und sich ein Gehalt von 300 Mark pro Tag gewährt - ohne jedoch die Geschäfte tatsächlich geführt zu haben. Vielmehr habe er durch sein Nicht-Handeln die Firma in eine schwere Krise geführt. Das Kaufangebot eines Unternehmers aus Spenge, das mit 400 000 Mark etwa 50 000 Mark unter dem ermittelten Firmenwert gelegen habe, habe der Anwalt ausgeschlagen, andere Kaufinteressenten habe er nicht gesucht. Insgesamt soll der Jurist als Geschäftsführer 169 000 Mark eingenommen haben, bis er 1995 Konkurs für den Möbelhandel anmelden musste.
Der Schaden, der der jungen Erbin damals entstanden sein soll, war in der Klage mit 430 458,71 Mark beziffert worden. Um eine jahrelangen Prozess zu vermeiden, der trotzdem den Verbleib der Wertgegenstände vielleicht nie geklärt hätte, hatte die junge Frau 1996 einem Vergleich zugestimmt. 135 000 Mark hatte ihr der Herforder Rechtsanwalt damals zahlen müssen.

Artikel vom 31.01.2006