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Ein Mann mit Humor
und großer Herzlichkeit

Besuche in Bethel und letzte Rede zum Arminia-Jubiläum

Von Manfred Matheisen
Bielefeld (WB). Bielefeld, das war für den verstorbenen Altbundespräsidenten Johannes Rau stets mehr als eine Station auf seinen Reisen als Staatsoberhaupt oder Ministerpräsident. Viele seiner Besuche hatten familiären Charakter. Ehefrau Christina stammt aus unserer Stadt, hat hier ihre Wurzeln.

Im August 1982 heiratete der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident in der Spiekerooger Inselkirche die Enkelin des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Die Hochzeitsfeier fand im Wirtshaus »Dünenklause« statt, die Johannes Rau von seinen vielen Besuchen der Nordseeinsel gut kannte. Mit den Einheimischen spielte er hier Skat, fesselte sie mit seinen feinsinnigen Witzen und Anekdoten. Für die Insulaner war er schlicht »der Johannes« - ein Politiker zwar, aber ohne jeden Dünkel. Die Menschen rechneten ihm hoch an, dass er nicht, wie manch andere, mit dem Helikopter einflog, sondern wie jedermann die Fähre benutzte.
Der ganze Stolz Johannes Raus waren seine Kinder - Laura Helene, Philip Immanuel und Anna Christina. Aus der Familie schöpfe er seine Kraft, sagte er einmal. Auch als Berlin zum Lebensmittelpunkt des Ehepaares Rau wurde, kamen die beiden oft nach Bielefeld.
Eine besondere Beziehung hatte Johannes Rau zu den v. Bodelschwinghschen Anstalten. So hatten er und seine Frau sich zur Hochzeit an Stelle von Geschenken eine Spende für Bethel gewünscht. Die Arbeit dort, sagte er, »ist einfach unbezahlbar«. Als er 2002 Bethel in offizieller Mission besuchte, zeigte sich die große Herzlichkeit des Bundespräsidenten. Er plauderte unbefangen mit den behinderten Menschen, beeindruckte sie mit seinem Humor. Distanz ließ er gar nicht erst aufkommen.
Im Mai vorigen Jahres folgte Johannes Rau der Bitte des DSC Arminia, zum 100. Vereinsgeburtstag die Festrede zu halten. Es war sein letzter öffentlicher Auftritt in Bielefeld. Obwohl schon von schwerer Krankheit gezeichnet, fesselte der Altbundespräsident die Gäste in der Stadthalle mit einer Rede, wie nur er sie halten konnte. Kenntnisreich, dem Jubilar in liebevoller Sympathie begegnend und die Zuhörer immer wieder zum Nachdenken oder Schmunzeln animierend. Mit stehenden Ovationen zollte das Auditorium Johannes Rau Respekt.

Artikel vom 28.01.2006