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Wie in einer anderen Welt

Top-Organisation bei 15. Hallen-Fußballmeisterschaften der Gehörlosen

Von Jan Lüdeke
Bielefeld (WB). Es war Bewegung drin. Wo man auch hinsah: Menschen, die sich per Gebärdensprache unterhielten. Diese Art der Kommunikation unter den vielen Zuschauern bei den Deutschen Hallen-Fußballmeisterschaften der Gehörlosen in den Carl-Severing Sporthallen erinnerte fast an temperamentvolle Diskussionen unter Südländern - man fühlte sich als »normal Hörender« wie in einer anderen Welt. Die Organisation des Turniers gestaltete sich schwierig, doch alles lief nach Plan. Fast alles . . .

Auf einmal war die knallrote Fahne weg, die die Schiedsrichter benötigen, um sich unter Gehörlosen - teilnehmen dürfen auch Schwerhörige, auf dem Platz darf jedoch kein Hörgerät getragen werden - bemerkbar zu machen. Denn diese können den zu hohen Ton der Pfeife auch aus unmittelbarer Nähe nicht wahrnehmen. Angepfiffen wurde das Spiel um Platz drei bei den Damen dann trotzdem - ohne Fahne. Und zum Glück verhielten sich die Sportlerinnen so fair, dass der Unparteiische gar nicht sonderlich auf sich aufmerksam machen musste.
Diese Szene dient dazu, zu veranschaulichen, wie schwierig sich die Organisation einer solchen Veranstaltung gestaltet, da immer wieder Kleinigkeiten auftauchten, die zu bewältigen waren. Und so atmete Jan Brandenburg, Mitglied des Organisationskomitees (dessen Arbeitstag 23 Stunden dauerte) auf, als er sich zwischendurch für eine gute Stunde an den Hallenrand setzen und einfach mal nur zusehen konnte: »Es ist schön, jetzt für kurze Zeit abschalten und relaxen zu können. Aber ich warte schon auf den nächsten Auftrag.«
Was Jan Brandenburg sah, war der Sieg der Aachener Damen in der Neuauflage des Endspiels vom Vorjahr gegen Darmstadt. Darmstadt erreichte seit 1999 immer das Finale, ging fünf Mal als Sieger vom Feld. Den Aachenern glückte die Revanche für die Niederlage im vergangenen Jahr. Am Ende stand ein hart erkämpftes 1:0. Und die Siegtorschützen, Natascha Laier, erklärte den Tränen nahe, wieso das Team gewann: »Wir haben für Margit Seegers, unsere ehemalige Keeperin gewonnen.« Diese war im vergangenen Jahr bei einem Verkehrsunfall in Neuseeland verstorben. Die neue Torhüterin, eine Spanierin, lud ihr komplettes Team nach dem Turniersieg spontan nach Mallorca ein.
Die Bielefelder Damen erreichten insgesamt den siebten Rang. Anja Strack, die mit vier Treffern beste Torschützin wurde, hatte eine Erklärung für das unbefriedigende Abschneiden: »Wir haben unsere ganze Konzentration auf die Organisation des Turniers gerichtet und waren etwas müde. Jetzt hängen natürlich die Köpfe.«






Spannend ging es auch im Finale der Senioren zu. Da rettete sich Stuttgart mit einem Tor kurz vor Schluss gegen den Überraschungsfinalisten Zwickau ins Siebenmeterschießen und siegte dort mit 6:5. Die Bielefelder Senioren, die 2005 noch den Titel gewinnen konnten - auch ihnen merkte man mangelnde Konzentration an - erreichten in ihrer Vorrundengruppe den vierten Rang.
»Leider gibt es hier keinen Ausrichtervorteil«, erklärte Jan Brandenburg, und so wurden die Titelkämpfe bei den Herren und der Jugend (in den Sporthallen Rosenhöhe) ohne Bielefelder Teilnehmer ausgetragen. Die Bielefeder Teams waren in der Qualifikation an Münster, Essen und Dortmund gescheitert. Bei der Jugend konnte sich der HSC Schleswig gegen Essen durchsetzen.
Das Finale der Herren wurde, wie das der Senioren, erst im Siebenmeterschießen entschieden. Dort setzte sich Düsseldorf mit einem 4:2 gegen Essen durch.

Artikel vom 30.01.2006