28.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Horst Köhler

»Es entsprach dem Wesen Johannes Raus, Brücken zu bauen, statt Gräben zu ziehen.«

Leitartikel
Zum Tod Johannes Raus

Abschied von
einem
Gerechten


Von Reinhard Brockmann
Deutschland verliert mit dem Tode Johannes Raus einen Bundespräsidenten und weltweit geachteten Repräsentanten.
Nordrhein-Westfalen widerfährt ein noch größerer Verlust. Ohne die Leistungen der Vorgänger Franz Meyers und Heinz Kühn zu schmälern, wird man nicht nur an Raus Todestag zu dem Ergebnis kommen, dass kein anderer Politiker diesem Bundesland seit seiner Gründung vor 60 Jahren mehr Profil gegeben hat, dass auch keiner NRW mehr gedient hat.
Losgelöst von Parteigrenzen und eingedenk der jedem »Macher« unterlaufenden Fehler hatten nicht nur Sozialdemokraten, sondern fast alle 18 Millionen Landeskinder Raus Vaterrolle, vielleicht sogar die des Übervaters im besten Sinne verinnerlicht. Der in den 80er Jahren von der Landes-SPD vereinnahmte Slogan »Wir in NRW« war die konsequente Umsetzung der Identifikation eines Bundeslandes letztlich mit Johannes Rau selbst.
Der »Rau-Bonus« bei Landtagswahlen soll sechs Prozent betragen haben. Spätere Wahlen bestätigten die seinerzeitigen Berechnungen der Wahlforscher für die SPD schmerzlich.
Johannes Rau, verheiratet mit einer Bielefelderin, hat Ostwestfalen-Lippe immer nahe gestanden. Aber er hat den fernsten Landesteil von Düsseldorf aus weder erkennbar bevorzugt noch benachteiligt, dafür war er viel zu sehr der gerechte Vater seines Landes. Es zeichnete ihn aus, unendlich viele Gesichter und zugehörige Namen auf Anhieb parat zu haben. Sein Kommunikationstalent war dabei nicht antrainierter Gestus, sondern wurde tatsächlich von Interesse und Herzlichkeit getragen.
Jenseits der politisch-fachlichen Ebene gab es immer auch eine persönliche Beziehung. Das große Engagement Raus für Israel zeit seines politischen Wirkens war begleitet von echten Freundschaften. Die Verbindung zu Teddy Kollek, dem längst verstorbenen Bürgermeister von Jerusalem, oder seine große Nähe zu Shimon Peres waren Ursprung, aber auch Ergebnis eines über alle Zweifel erhabenen Engagements für eine Sache.
Besonders der »späte« Johannes Rau wurde im politischen Tagesgeschäft als Zauderer, teils sogar als Leichtfuß gesehen. Beim Blick auf sein ganzes Wirken bleibt dies jedoch eine Episode. Uns wird fortan der »Macher« in Erinnerung bleiben.
Raus Entscheidung, nach einem langen landespolitischen Weg auch noch das Amt des Bundespräsidenten zu übernehmen, statt endlich Zeit für seine noch junge Familie zu haben, haben viele damals nicht nachvollziehen können. Er hat es sich angetan, und er hat das Amt zu Recht als Krönung einer einzigartigen politischen Laufbahn ausfüllen können und erleben dürfen.
Dass ihn das Altern und der Verlust an Vitalität im Prinzip am Tag nach der Amtsübergabe ereilten, entspricht dem Pflichtbewusstsein dieses ehrlichen Maklers aller Deutschen, die ihn vermissen werden.

Artikel vom 28.01.2006