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Johannes Rau war vor allem
ein Freund der Menschen

Früherer Bundespräsident im Alter von 75 Jahren in Berlin gestorben

Berlin (Reuters). Alt-Bundespräsident Johannes Rau ist tot. Das frühere Staatsoberhaupt starb am Freitag im Kreise seiner Familie in seinem Berliner Haus. Rau wurde 75 Jahre alt. Politiker aus allen Lagern würdigten Rau als großen Humanisten und einen der bedeutendsten Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nordrhein-Westfalen ordnete für drei Tage Trauerbeflaggung an.
Rau kämpfte seit längerem mit gesundheitlichen Problemen. Er hatte sich 2004 drei Operationen unterziehen müssen, von deren Folgen er sich nicht mehr vollständig erholte. Zuletzt hatte er am 16. Januar wegen seiner Erkrankung auch die Teilnahme an einem Empfang von Bundespräsident Horst Köhler zu seinem 75. Geburtstag absagen müssen.
Köhler würdigte seinen verstorbenen Amtsvorgänger als großen Politiker und Vorbild für Millionen von Menschen. »Deutschland hat einen prägenden Politiker, einen großen Bundespräsidenten und einen Mann verloren, der die Welt menschlicher gemacht hat«, sagte Köhler. »Er hat versöhnt, statt zu spalten, auch darin bleibt Johannes Rau Vorbild«, sagte Köhler weiter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, Rau habe durch sein jahrzehntelanges politisches Wirken die Demokratie in Deutschland entscheidend vorangebracht. »Er war vor allem eines: Ein Freund der Menschen.« So habe er sich früh für den Kampf gegen jegliche Form von Nationalsozialismus und Antisemitismus eingesetzt.
Paderborns Erzbischof Hans-Josef Becker erklärte: »Mit Dankbarkeit erinnern wir uns an seine Besuche in Paderborn. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen werden ihn als einen Politiker in Erinnerung behalten, der es mit Geschick verstanden hat, zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln, Interessen auszugleichen und Brücken zu bauen.«
Die Evangelische Kirche von Westfalen habe mit dem langjährigen rheinischen Synodalen Johannes Rau einen verlässlichen Freund und Partner verloren, erklärte in Bielefeld Präses Alfred Buß. »Johannes Rau lebte aus seinem christlichen Glauben als dem Grund, in dem er tief gegründet war. Aus dieser Tiefe konnte sein Wirken weite und nachhaltige Kreise ziehen. Versöhnung war sein Lebensthema.« Davon seien seine Erzählkunst, sein Humor, sein Handeln und sein politisches Wirken durchdrungen. Deshalb sei es ihm möglich gewesen, selbst in der Knesset in deutscher Sprache zu reden und dabei an Glaubwürdigkeit zu gewinnen.
Auch viele Politiker hoben das Engagement Raus für die Aussöhnung mit Israel hervor. Rau hatte im Februar 2000 als erster Bundespräsident vor dem israelischen Parlament, der Knesset, gesprochen. In seiner Rede dort bat er um Vergebung für die Verbrechen des Holocaust.
Der frühere SPD-Politiker war von 1999 bis 2004 Bundespräsident. Zuvor regierte er 20 Jahre lang mit Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Bundesland. 1987 trat er erfolglos für seine Partei als Kanzlerkandidat an.
Rau wurde 1931 in Wuppertal-Barmen geboren. Seine politischen Laufbahn begann er 1952 in der Gesamtdeutschen Volkspartei des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann, die sich gegen die Wiederbewaffnung der jungen Bundesrepublik engagierte. Mit seinem politischen Ziehvater wechselte Rau 1957 zur SPD.
Heinemann war auch Großvater von Raus Ehefrau Christina, die aus Bielefeld stammt. Aus diesem Grund war Rau oft in der Leinenstadt. Beide waren seit 1982 verheiratet. Das Ehepaar hat drei Kinder.

Artikel vom 28.01.2006