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Erstes Lebenszeichen der Geiseln

Videoband aus dem Irak - Entführte bitten die Regierung um Hilfe

Berlin (Reuters/dpa). Von den beiden im Irak verschleppten Deutschen gibt es ein erstes Lebenszeichen und Hinweise auf ihre Geiselnehmer.

Drei Tage nach der Entführung strahlte der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira am Freitag ein Video aus, in dem die zwei Ingenieure zusammen mit vier bewaffneten und vermummten Männern zu sehen sind. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von »erschütternden Bildern«. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die unverzügliche Freilassung der beiden Deutschen.
Al-Dschasira zufolge wurde dem Sender das Band von einer Gruppe zugespielt, die sich Brigade der Ansar Al-Tawhid Wa-Sunna nennt. Der Irak-Experte Guido Steinberg sagte, die Geiselnehmer stünden möglicherweise dem Moslem-Extremisten Abu Mussab al-Sarkawi nahe. Die Entführung sei ernster zu nehmen als der Fall der Archäologin Susanne Osthoff.
Die Ingenieure René Bräunlich und Thomas Nitzschke waren von einer Firma bei Leipzig in den Irak entsandt worden. Ihre Regierung werde alle Anstrengungen unternehmen, »unsere Landsleute sicher, unversehrt und gesund nach Hause zu bringen«, betonte Merkel.
Die Video-Aufnahme trägt das Datum von Dienstag, dem Tag der Entführung. Darauf appellieren die beiden Männer an die Bundesregierung, alles für ihre Freilassung zu unternehmen. Sie nennen demnach auch ihre Namen und den ihres sächsischen Unternehmens Cryotec. In den Video-Aufnahmen erwähnen die beiden Deutschen keine konkreten Forderungen im Namen der Geiselnehmer.
Aus dem Videoband gehe hervor, dass sie in der Gewalt der »Brigaden der Helfer von Tawhid und Sunna« seien, sagte Steinberg, der von 2002 bis 2005 im Referat »Internationaler Terrorismus« im Bundeskanzleramt arbeitete.
Sicher scheine, dass es sich um eine professionelle Gruppe handele. Insofern sei diese Entführung auch ernster zu nehmen als der Fall Osthoff.
Die Archäologin war im November als erste Deutsche im Irak entführt und kurz vor Weihnachten freigelassen worden. Medienberichten zufolge wurden damals fünf Millionen Dollar Lösegeld gezahlt. Nach Steinbergs Worten operieren im Irak zahlreiche nationalistische Organisationen, die auch islamistisch argumentieren. Die bekannteste dieser nationalistischen Gruppierungen sei die »Islamische Armee im Irak«, die fast ausschließlich aus Anhängern des gestürzten Machthabers Saddam Hussein bestehe. »Wenn sie Glück haben, ist es die Islamische Armee. Wenn sie Pech haben, ist es eher die Nähe der Entführer zu den Sarkawi-Leuten«, sagte Steinberg.
Er begründete seine Einschätzung damit, dass die Islamische Armee zwei im Jahr 2004 entführte französische Journalisten wieder frei gelassen hatte. Der Jordanier Al-Sarkawi gilt als Statthalter der Extremisten-Organisation El-Kaida im Irak. Im Oktober 2005 waren in Düsseldorf vier Mitglieder von Al-Tawhid wegen geplanter Anschläge in Düsseldorf und Berlin zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Einige von ihnen sollen enge Kontakte zu Al-Sarkawi gehabt haben.
Steinmeier sagte am Rande einer Bundestagssitzung: »Das waren erschütternde Bilder, die uns heute Morgen aus dem Irak erreichen.« Die Bundesregierung werde das Menschenmögliche tun, die zwei schnellstmöglich in Sicherheit zu bringen. Dabei werde sie mit Augenmaß vorgehen, betonte der SPD-Politiker. Im Sender RTL erklärte der Minister, zu der Entführergruppe lasse sich im Einzelnen nichts sagen. »Die Kontaktaufnahme seitens der Entführer hat stattgefunden«, sagte er. Aus dem Krisenstab verlautete, mit dieser Aussage habe sich der Minister nur auf das Videoband bezogen. Informationen des »Tagesspiegel« zufolge stellen die Entführer ähnliche Forderungen wie im Fall Osthoff. Sie verlangten, dass Deutschland den Kontakt zum Irak abbreche und die Hilfe für das Land einstelle.

Artikel vom 28.01.2006