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»Niemand muss auf sein Frühstücksei verzichten, niemand auf den Genuss von gebratenem und gekochtem Geflügelfleisch«, betont die Amtsmedizinerin. »In Deutschland besteht keine akute Gefahr.« Durch die Berichterstattung in den Medien werde zuweilen ein anderer Eindruck erweckt. »Aber wachsam müssen wir sein«, ergänzt Dr. Ruth Delius. Durch das Auftreten der Vogelgrippe in der Türkei und auf dem Balkan sei die Krankheit näher an Deutschland herangerückt. Deshalb sei es besonders wichtig, dass auch in Bielefeld alle Geflügelbestände gemeldet würden. 750 Geflügelhalter seien inzwischen registriert. Das erleichtere das Handeln, sollte doch einmal ein infiziertes Tier in der Stadt auftauchen.
Was dann getan werden müsse, sei klar geregelt, erläutert die Ärztin. In einem bestimmten Umkreis des Fundortes müsse alles Geflügel getötet werden, in einem erweiterten Kreis müssten die Bestände genau beobachtet werden. Dr. Ruth Delius geht davon aus, dass mit Beginn des Vogelzuges Anfang März die Stallpflicht für Geflügel erneut eingeführt werde. »Eine Vorsichtsmaßnahme«, sagt sie und betont, dass sich die Menschen an solche Erfordernisse werden gewöhnen müssen. Dazu gehören auch die Kontrollen von Reisenden aus den Ländern, in denen die Krankheit aufgetreten sei. »Wir in Bielefeld kontrollieren in Zusammenarbeit mit dem Zoll ebenfalls durchreisende Lkw und ankommende Reisebusse.«
Die Amtsleiterin beklagt aber auch, dass in der aktuellen Debatte manches durcheinander geworfen werde. Zwischen der Vogelgrippe, der Möglichkeit einer Pandemie, einer Epidemie größeren Ausmaßes, und der saisonal auftretenden Grippe müsse deutlich unterschieden werden. »Die Vogelgrippe wird für uns erst dann gefährlich, wenn sie von Mensch zu Mensch übertragen werden kann«, betont Dr. Ruth Delius. Das Virus verändere sich stetig, müsse ständig beobachtet werden. Sollte es zur Infizierung von Mensch zu Mensch kommen, wäre eine Pandemie möglich, wie sie es 1918 schon einmal gegeben habe.
Aber auch dafür sei Vorsorge getroffen worden. Das Land Nordrhein-Westfalen habe den Wirkstoff des grippehemmenden Medikamentes Tamiflu in großen Mengen eingekauft. Im Fall einer Pandemie solle er über die Apotheken verteilt werden. Und zwar zunächst an Erkrankte. Auf Landesebene müsse entschieden werden, in welchem Maße es auch an diejenigen ausgegeben werde, die für das Funktionieren des öffentlichen Lebens verantwortlich sind, Einsatzkräfte wie Polizei und Feuerwehr, aber auch Ärzte und Krankenhauspersonal.
»Tamiflu ist kein Wundermittel«, sagt Dr. Ruth Delius. Es könne lediglich die Symptome lindern, wenn es innerhalb der ersten 48 Stunden nach dem Auftreten der Krankheit verabreicht werde. Ein Impfstoff gegen ein möglicherweise lebensbedrohendes Grippevirus könne erst entwickelt werden, wenn das Virus schon grassiere. Doch auch angesichts dieser viel diskutierten Szenarien rät die Medizinerin zur Besonnenheit. »Die Vogelgrippe ist eine Tierseuche. Es gibt keine an Vogelgrippe erkrankten Tiere in Deutschland, und niemand ist ins Land eingereist, der sich im direkten Kontakt mit infizierten Tieren angesteckt hat.«
In den kommenden Wochen sei aber wohl wieder mit der saisonalen Grippe zu rechnen. Gegen die sei man mit der herkömmlichen Grippeschutzimpfung gewappnet, die vor allem für Ältere und chronisch Kranke wichtig sei. Ansonsten gelte: viel an der frischen Luft sein. Infektanfällige sollten große Menschenansammlungen meiden. Und auch häufiges Händewaschen hilft. »Wer viele Hände schüttelt, kann sich schneller infizieren.« Da reiche schon einmal Husten mit der Hand vor dem Mund und dann dem Gegenüber die Hand zum Guten-Tag-Sagen reichen. Das Land NRW habe in dieser Saison erstmals allen dazu geraten, sich gegen Grippe impfen zu lassen. »Es bleibt aber die Entscheidung jedes einzelnen«, betont Dr. Ruth Delius. »Ich selbst habe mich impfen lassen.«

Artikel vom 28.01.2006