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Im Tarifdschungel droht erster Streik

Verworrene Lage im öffentlichen Dienst erschwert Lösung des Konflikts

Von Norbert Klaschke
Berlin (dpa). Ver.di macht ernst. »Unsere Geduld ist am Ende«, bilanziert Gewerkschaftschef Frank Bsirske die vergeblichen Bemühungen, den Tarifkonflikt im Öffentlichen Dienst in Verhandlungen beizulegen.

Wenn demnächst in Baden-Württemberg und an vielen anderen Orten gestreikt wird, ist indes alles andere als klar, wer was gegen wen erreichen möchte. So verworren war die Lage im Öffentlichen Dienst noch nie.
Gewerkschaften und öffentliche Arbeitgeber rangen zwar früher in Tarifverhandlungen heftig um Einkommensprozente. Doch am Ende galten für alle Beschäftigten in Deutschland die gleichen Bedingungen. Ebenso einheitlich waren die Regeln für die Beamten, egal welchen Dienstherren sie hatten. Anstelle dieser klaren Verhältnisse ist nun für die 4,7 Millionen Beschäftigten - unter ihnen 1,7 Millionen Beamte - eine neue Unübersichtlichkeit getreten.
Zwar hat sich die Arbeitnehmerseite neu ausgerichtet. Die große Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die kleinere Tarifunion des Beamtenbundes, die sich früher eifersüchtig misstrauten, näherten sich deutlich an, aber die öffentlichen Arbeitgeber sprechen mittlerweile mit vielen Zungen. Die Länder koppelten sich aus dem Tarifverbund aus, Hessen und Berlin gehören schon gar nicht mehr der Tarifgemeinschaft der Länder an, die Kommunen begehren Sonderregelungen, die Krankenhausärzte kündigten die Vertretung durch ver.di auf und steuern einen Sonderkurs.
Als am 1. Oktober 2005 ein neuer Tarifvertrag in Kraft trat, wurde das als großer Fortschritt gefeiert. Der verworrene Bundesangestelltentarif und weitere Verträge verschwanden ebenso wie die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten. Anstelle der Bezahlung nach Familienstand und Lebensalter traten Leistungselemente. Aber das neue Regelwerk hat Schönheitsfehler. Die Länder, die auf längeren Arbeitszeiten beharren, sind nicht mehr dabei. Dort wirkt altes Recht fort, und bei Neueinstellungen gelten neue Arbeitszeiten.
Alle Versuche der Gewerkschaften, die Länder mit Zugeständnissen zur Übernahme des neuen Tarifvertrags zu bewegen, blieben bislang erfolglos. Und so soll nun im Februar gestreikt werden.

Artikel vom 27.01.2006