04.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Rotwerden ist normal!
Wer sich das Farbenspiel im Gesicht gestattet, ist schneller damit fertig
Fast jeder kennt das: In Situationen, die als peinlich oder unangenehm empfunden werden, schießt das Blut in den Kopf. Gesicht und Ohren werden warm und wärmer. Und das schlimmste: Die ganze Welt schaut zu und amüsiert sich...
Denkt man. Doch keine Angst: Die Welt nimmt einen selten so wichtig wie man sich selbst nimmt. Und schaut deshalb auch gar nicht so genau zu, wie man sich das im Moment der Pein vorstellt. Karin Schreiner-Kürten, Diplom-Psychologin beim AOK-Bundesverband: »Erröten ist eine ganz normale körperliche Reaktion, die hohe Konzentration und Anspannung anzeigt. Am besten ist es, das Rotwerden nicht überzubewerten und es nicht als Katastrophe anzusehen, dann geht es meist schnell wieder weg.«
Rotwerden entsteht durch Stress. Das Gehirn sendet Hormone aus, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, Adrenalin wird ausgeschüttet. Das Blut schießt nicht nur verstärkt in die Muskeln, sondern auch in das Gehirn - und damit in den Kopf. Die Folge: Die Betroffenen werden rot.
Dass man im Gesicht am stärksten errötet, liegt daran, dass die Blutgefäße dort weiter sind als in anderen Hautregionen und dass sie dicht unter der Hautoberfläche liegen.
Die Ursachen für das Erröten aus Scham sind vielfältig. »Typische Situationen sind Kritik oder auch Lob«, sagt Karin Schreiner-Kürten. »Meist passiert es, wenn der Betroffene im Mittelpunkt steht. Wer zum Beispiel eine Rede vor Publikum hält und das Gefühl hat, dass alle ihn anstarren, läuft unter Umständen rot an.«
Während manche Menschen selten oder gar nicht erröten, geschieht dies bei anderen häufiger. »Wichtig ist, das Rotwerden nicht als Schwäche zu deuten, sondern es als etwas ganz Normales anzusehen. Das fördert die Selbstsicherheit und hemmt das Erröten«, rät die Psychologin. Doch völlig vermeiden kann man weder unangenehme Situationen noch die Gefahr, darüber zur Rothaut zu werden. Karin Schreiner-Kürten empfiehlt deshalb die Flucht nach vorn: »Statt in Panik auszubrechen, ist es besser, Ruhe zu bewahren und sich das eigene Rotwerden zu erlauben«, empfiehlt die Psychologin. »Denn während man sich selbst meist sehr kritisch beobachtet, nehmen andere das Erröten oft weit weniger stark wahr.
Problematisch wird es dann, wenn das eigene Rotwerden so stark überbewertet wird, dass schon die Angst davor das Verhalten bestimmt. »Die Angst vorm Erröten verstärkt nur die Symptome. Betroffene fürchten sich dann vor Situationen, in denen sie im Mittelpunkt stehen und ziehen sich zurück. In einem solchen Fall ist es sinnvoll, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen«, rät die Expertin.
Doch meist genügt es, sich die eigenen Stärken und Fähigkeiten ins Gedächtnis zu rufen. Auch Atem- und Entspannungsübungen können helfen, die Anspannung in schwierigen Situationen zu verringern. Karin Schreiner-Kürten: »Wer eine Rede halten will, tut gut daran, sich gut vorzubereiten, vorher tief durchzuatmen und mit einer positiven Einstellung an die Sache heranzugehen. Wenn er während der Rede dennoch rot wird, ist das halb so schlimm.« -psg-

Artikel vom 04.03.2006