30.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Angela Merkel soll
in Nahost vermitteln

Hamas droht Israel mit palästinensischer Armee

Berlin/Jerusalem/Gaza (dpa/ Reuters). Begleitet von zahlreichen Aufrufen zur Vermittlung zwischen Israelis und Palästinensern ist Angela Merkel zu ihrer ersten Nahost-Reise als Bundeskanzlerin aufgebrochen.

Bereits gestern traf sie in Jerusalem mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert zusammen, der das Amt des kranken Regierungschefs Ariel Scharon verwaltet. Für heute ist ein Besuch bei Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah geplant.
Merkels Reise wird vom Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas-Partei in den Palästinensergebieten bestimmt. Führende deutsche Politiker riefen die Bundeskanzlerin dazu auf, in dieser schwierigen Phase die Kontinuität der deutschen Nahost-Politik zu wahren. Grundbedingung für weitere Hilfen und Gespräche mit der neuen Palästinenser-Führung sei die Anerkennung Israels sowie ein Gewaltverzicht von Hamas, hieß es übereinstimmend. Merkel wie auch Politiker aus Koalition und Opposition machten deutlich, dass Deutschland das Existenzrecht Israels »ohne Wenn und Aber« vertreten werde. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gab zu bedenken: »Wir können den Palästinensern keine Regierung vorschreiben. Aber die Hamas muss auf Gewalt verzichten und das Existenzrecht Israels anerkennen. Terror und Demokratie passen nicht zusammen.«
Nach den Worten des israelischen Botschafters in Deutschland, Schimon Stein, muss die internationale Staatengemeinschaft auf die von Abbas zugesagte Entwaffnung aller palästinensischer Gruppen dringen. Diese Forderung müsse die Bundeskanzlerin beim Treffen mit Abbas deutlich machen.
Israel hat einen internationalen Boykott der bei der Palästinenser-Wahl siegreichen Hamas gefordert, sollte diese dem Terror nicht abschwören und das Existenzrecht von Israel nicht anerkennen. Die radikal-islamische Organisation lehnte jedoch die von zahlreichen Staaten geforderte Entwaffnung ab und drohte im Gegenteil Israel mit den Aufbau einer Armee.
Im Westjordanland und im Gaza-Streifen besetzten derweil Mitglieder der abgewählten Fatah-Bewegung aus Wut über ihre Niederlage vorübergehend Gebäude in den Palästinenser-Gebieten und forderten den Rücktritt der Fatah-Führung.
Der geschäftsführende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte, sein Land werde keinen Kontakt mit einer palästinensischen Regierung mit Hamas-Beteiligung aufnehmen, so lange die Gruppe sich der Gewalt verschreibe und das Existenzrecht von Israel nicht anerkenne. Andere führende Politiker habe er dazu aufgefordert, sich genauso zu verhalten. Er habe Israels Haltung dem britischen Ministerpräsidenten Tony Blair, dem Präsidenten Frankreichs, Jacques Chirac, Jordaniens König Abdullah sowie UN-Generalsekretär Kofi Annan in Telefonaten mitgeteilt.
US-Präsident George W. Bush hatte angedroht, die 2006 vorgesehenen 234 Millionen Dollar Hilfe zu streichen, sollte die Hamas ihre Waffen nicht niederlegen. Auch die Europäische Union, die mit 500 Millionen Dollar den größten Hilfsbetrag leistet, verlangt eine Entwaffnung der Hamas und die Anerkennung von Israels Existenzrecht.
Ungeachtet der internationalen Aufrufe zur Entwaffnung erklärte der Hamas-Spitzenkandidat Ismail Hanijeh: »Waffen und Widerstand sind Fragen, die mit der Besetzung verknüpft sind.« Auch die Drohung der USA, Hilfsgelder zu streichen, werde dies nicht ändern. Hamas-Chef Chaled Meschaal erklärte, der bewaffnete Teil der Hamas könnte mit anderen Gruppen verschmelzen, um eine palästinensische Armee zu bilden. Leitartikel

Artikel vom 30.01.2006