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Kurt Gödel war ein exakter und streng logischer Mensch; von ihm könne man lernen, findet Ipke Wachsmuth. Foto: Pierel

Die Genauigkeit des Mathematikers

Prof. Wachsmuth empfiehlt »Gödel, Einstein und die Folgen« - Tipp 11


Bielefeld (sas). Erstmals haben Wissenschaftler der Universität in diesem Semester Literaturtipps für Studienanfänger gegeben: Romane, Sachbücher oder Krimis legen sie den Studierenden ans Herz. Wir veröffentlichen einige dieser Empfehlungen - wie die von Prof. Dr. Ipke Wachsmuth.
Einstein kennt jeder. Und jeder hat zumindest eine Idee von seinen Entdeckungen. Kurt Gödel hingegen ist den meisten unbekannt - es sei denn, sie sind Logiker oder befassen sich mit der theoretischen Informatik. Dabei war Gödel ein Wegbegleiter Einsteins - nicht nur in Wien, sondern auch in Princeton. »Gödel, Einstein und die Folgen - Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft«, ein Buch aus der Feder des Philosophen Palle Yourgrau, gibt Ipke Wachsmuth von der Technischen Fakultät als Literaturtipp.
»Es ist ein spannend geschriebenes biographisches Buch«, wirbt er. Auch wenn Gödel wenig bekannt sei, habe er Einstein das Wasser reichen können. »Einstein war ein fauler Mensch, was die Mathematik anging. Er wollte sich nicht in Formeln verlieren, weil ihm das den Blick auf die Ideen versperrte«, erklärt Wachsmuth. Gödel war der, der mathematisch-solide formulierte, was Einstein meinte - und vieles darüber hinaus. Zu seinen Erkenntnissen (in einem nach ihm benannten »Unvollständigkeitssatz« ausgedrückt) gehörte, dass nicht alles, was man für wahr halten kann, auch mathematisch herzuleiten ist. Manches sei eben unentscheidbar - aber einsichtig. Ebenso meinte der Mathematiker Gödel, dass es in keinem Universum, das sich mit der Relativitätstheorie beschreiben lasse, eine Zeit gebe. »Eine Erkenntis die nur schwer zu verdauen ist. Selbst ein Kosmologe wie Stephen Hawking kann diesen Satz nicht akzeptieren und verteidigte den Zeitverlauf«, sagt Wachsmuth.
Ihn fasziniert an Gödel besonders die Genauigkeit, sein Streben nach Präzision. »Auch deswegen empfehle ich dieses Buch gerne: Wer Informatik studiert, muss begreifen, dass es eine exakte Disziplin ist, der muss auf jedes Pünktchen achten. Ein Komma oder ein Punkt an der falschen Stelle einer Programmzeile kann eine Fehlleistung des davon gesteuerten Systems zur Folge haben - und das kann ein Airbus sein...«
So wie Carl Friedrich Gauss es nicht ertrug, wenn jemand langsamer dachte als er (was für fast jeden galt), so ertrug Gödel es nicht, wenn jemand unexakt war. Das ging so weit, dass er, als er US-Bürger werden wollte und auf die Verfassung schwören sollte, sich zunächst weigerte: Sie enthalte Widersprüche, deswegen könne er darauf nicht schwören, verkündete er. »Das Buch ist aber längst nicht nur für Naturwissenschaftler interessant. Es ist in vielen Kapiteln erzählend und macht den Menschen greifbar«, betont Wachsmuth. Posthum würdige Yourgrau auch die philosophischen Beiträge Gödels.
Aktuell liest der Informatiker »Wie Ludwig Wittgenstein Karl Popper mit dem Feuerhaken drohte« von David Edmonds und John Idinow. Schwere Kost, die zwischendurch mit Krimis erleichtert wird.

Artikel vom 27.01.2006