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»Das Glück kippt so
schnell wie Vollmilch«

»Sterne« von Anja Hilling erlebte Uraufführung

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Glück kippt so schnell wie Vollmilch«, sagt Jana. Dabei hat doch alles so schön angefangen: vier Freunde, eine sternenklare Nacht, ein Apfelbaum. Und dann? Die Katastrophe. Der Anfang vom Ende. Einfach nicht der richtige Zeitpunkt.

»Sterne«, das erste Theaterstück von Anja Hilling (30), im vergangenen Jahr zur »Nachwuchsautorin der Saison« gekürt, erlebte seine Uraufführung in TAMzwei. Regisseurin Daniela Kranz hat bereits für Anja Hilling inszeniert, Bühnenbildner Tobias Schunck hat eine Zwischenwelt geschaffen, in der sich die Akteure bewegen.
Susann (Claudia Mau), Jana (Viola Pobitschka), Anton (Sebastian Thrun) und Kalle (Matthias Beitmann) erleben eine Sommernachtstraum-Nacht. Anton hat kleine Sterne mitgebracht, von denen alle glauben, sie seien bewusstseinserweiternd (und die doch nur Zitronenmelisse sind, doppelt gepresst).
Kalle macht nicht mit. Jana ist seine große Liebe. Susann will nicht wie Anton, steigt auf den Apfelbaum und kommt nicht mehr lebend herunter. Ist sie gestürzt, ist sie absichtlich gesprungen? Susann`s Tod bringt die Gruppe aber aus dem Gleichgewicht. Beziehungen sind in Frage gestellt. Wer mit wem - oder doch nicht?
Ob Sterne Minuten kennen, ob Sterne sich verabreden? Wenn sie sich verpassen, dann bleiben sie allein. Für die nächsten paar Lichtjahre.
Anja Hillings Sprache ist von heute und doch poetisch. Ihre Protagonisten sagen wenig. Zwischen den Worten, den Satzfragmenten, da scheint ein Zipfelchen der Wahrheit auf. Jede der Figuren hat etwas zu erzählen, hat eine Geschichte. Susann, die »immer mehr verschwindet«, bleibt doch präsent, ist Erzählerin, aber nicht neutral. Da ist die Schuld, die die Freundschaft der Freunde auf den Prüfstand stellt, da ist das, was man zwar nicht recht greifen kann, was jeder auf seine Weise aber ungeschehen machen will.
Knappe Dialoge, »Requisiten« im Fotorealismus, Auslassungen: Der Zuschauer muss hinhören, hinsehen.
Dabei sitzt ein Teil des Publikums auf der »Wiese«, auf Picknickdecken, während die Handlung zwischen Waschsalon, Treppenhaus und Badewanne vorbei zieht. Ein Happyend gibt es nicht. Es ist eine Liebesgeschichte. Irgendwie. Aber keine Seifenoper zwischen Schwangerschaft Auszug, Tod. Zu sagen, was man meint, das ist oft das Schwerste.
»Sterne« dauert eine knappe Stunde, ist ein junges Stück, aber nicht unbedingt ein »typisches« Jugendstück (die, die nicht auf Wolldecken hocken möchten, können auch auf Bänken Platz nehmen).
Die nächste Vorstellungen sind am 1., 2., 15., 16. und 24. Februar - am 15. und 16. Februar gibt es - speziell für Schulklassen - Vorstellungen jeweils um 11 Uhr.

Artikel vom 30.01.2006