27.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Sajeb Erekat

»Die Israelis sollen einmal sehen, was sie jetzt für einen Partner haben.«

Leitartikel
Hamas-Wahlsieg

Schwerer
Rückschlag
in Nahost


Von Friedhelm Peiter
Mit dem Wahlerfolg der radikal-islamischen Hamas-Organisation bei den Palästinenser-Wahlen hat die ohnehin schwierige Friedenssuche im Nahen Osten einen schweren Rückschlag erlitten. Die Hamas, verantwortlich für Dutzende mörderischer Anschläge auf Israelis, hat noch immer die Zerstörung Israels zum Ziel, auch wenn sie im Wahlkampf gemäßigtere Töne anschlug.
Keine israelische Regierung wird mit einer von der Hamas dominierten Palästinenser-Regierung Verhandlungen führen, die den bewaffneten Kampf gegen Israel fortführt. Auch US-Präsident George W. Bush hat bereits klar gemacht, dass die Hamas nur dann ein Gesprächspartner sein kann, wenn sie dem Terror abschwört.
Damit ähnelt die Lage der in den 1970er Jahren, als die von Jassir Arafat beherrschte PLO, die mit Waffengewalt gegen Israel vorging, vom Westen nicht als Verhandlungspartner akzeptiert wurde. So wird die entscheidende Frage sein, ob die Hamas wie seinerzeit Arafat fähig sein wird, in Zukunft auf politische Lösungen zu setzen.
Die Hamas gibt sich als Gruppierung mit zwei Gesichtern. Da sind einerseits die bewaffneten Einheiten, die Israel terrorisieren.
Auf der anderen Seite haben Hamas-Vertreter auf kommunaler Ebene Verantwortung übernommen, haben Schulen und Kindergärten geschaffen, und helfen den ärmsten Menschen in den armen Palästinenser-Gebieten mit Suppenküchen. Ihren Führern haftet nicht der Geruch von Korruption und Vetternwirtschaft an wie den alten Garden der Fatah. All dies hat ihnen - mit großer finanzieller Unterstützung aus der arabischen Welt - zum Wahlerfolg verholfen.
Noch gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Hamas-Führung ihren Kurs gegenüber Israel ändern wird. Dass wird sie aber müssen, wenn eine von Hamas geführte Autonomiebehörde nicht in die politische Isolation geraten will. Fraglich ist dann auch, ob die dringend benötigten Hilfsgelder der Weltbank oder der EU dann noch fließen werden.
Einen Hoffnungsschimmer immerhin darf man in der Äußerung eines Hamas-Führers sehen. Ismail Hania sagte, er sei bereit, einen Palästinenser-Staat in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren. Wenn diese Meinung mehrheitsfähig würde, wäre die Tür zu Verhandlungen nicht ganz zugeschlagen.
Das palästinensische Wahlergebnis wird auch erhebliche Auswirkungen auf die Wahlen in Israel haben. Nicht nur die Likud-Partei, sondern auch die nationalreligiösen Gruppierungen werden damit argumentieren, dass der Abzug aus dem Gazastreifen der Hamas erst zum Sieg verholfen habe. Denn diese habe damit argumentieren können, dass erst der bewaffnete Kampf die Israelis zum Rückzug gezwungen habe. Ob die von Ariel Scharon gegründete Kadima-Partei, die konsequent auf eine Fortsetzung der Friedenpolitik setzt und in Umfragen klar in Führung lag, die Wahlen im März noch gewinnen kann, ist nach diesem poltiischen Erdbeben mehr als fraglich.

Artikel vom 27.01.2006