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»Die Jungs waren schockiert«

Am Samstag wollte der entführte René Bräunlich wieder Fußball spielen

Von Marion van der Kraats
und Erik Nebel
Leipzig/Bennewitz (dpa). »Wir hoffen einfach nur, dass er wieder gesund nach Hause kommt«, sagt Michael Herrn. Der 59-Jährige drückt den beherrschenden Gedanken aller aus, die die zwei im Irak entführten Leipziger kennen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Staatssekretär Klaus Scharioth (r.) eröffneten in Berlin gestern die Sitzung des Krisenstabes.
Am Dienstagabend hatte der Fußballtrainer von René Bräunlich von dessen Entführung erfahren und die 1. Männermannschaft vom SV Grün-Weiß Miltitz informiert. »Die Jungs waren alle schockiert«, schildert er. »René sollte am Freitag zurück sein und wollte mit uns am Samstag spielen.«
Die Freunde vom Fußballverein sind gestern die einzigen Menschen aus dem Umfeld der Entführten, die sich noch öffentlich äußern. Bundesregierung und Auswärtiges Amt haben die Zurückhaltung dringend empfohlen. Bräunlichs Lebensgefährtin Sindy Brost ist samt ihrem dreijährigen Sohn aus der Dachgeschosswohnung im Leipziger Stadtteil Böhlitz-Ehrenberg geflüchtet.
»Ich hoffe, dass sie ihm nichts antun«, sagte die 29-Jährige zuvor noch dem Fernsehsender N24 unter Tränen. Am Sonntag nach seiner Ankunft im Irak hatte sie zuletzt mit ihrem Partner telefoniert.
Einige Kilometer südwestlich wird im Stadtteil Rackwitz ein schmuckes Einfamilienhaus von Kamerateams und Fotografen beobachtet. Das Haus der Familie Nitzschke wirkt verlassen, niemand öffnet. Sohn Thomas ist das zweite Entführungsopfer. Mutter und Bruder schotten sich ab.
Die Entführungsopfer waren im Auftrag ihrer Bennewitzer Firma im Irak. Erst vor wenigen Tagen waren sie aufgebrochen, der Einsatz in Bedschi sollte nur ein paar Tage andauern. Mitarbeiter der Cryotec Anlagenbau GmbH - 30 Kilometer von Leipzig entfernt - zeigen sich betroffen. »Unsere Gedanken sind jetzt bei unseren Mitarbeitern und deren Familienangehörigen«, erklärt Geschäftsführer Peter Bienert am Nachmittag. Die Frage, ob er wieder Mitarbeiter in den Irak schicken würde, weist er brüsk zurück: »Ich äußere mich heute nicht mehr.«
Das jetzige Projekt im Irak stammt laut Cryotec aus einem Auftrag von 2005 und betrifft eine Anlage zur Erzeugung von Stick-stoff in einer Raffinerie in Bedschi. »Den Probelauf der Anlage und die Schulung der irakischen Ingenieure führten wir wegen der schwierigen Bedingungen im Irak in Bennewitz durch«, sagte Bienert. Die zwei Mitarbeiter sollten nun vor Ort die Anlage übergeben.
Auch der Bürgermeister der Gemeinde Bennewitz, Werner Moser sprach den Familien und Angehörigen sein Mitgefühl aus. Ähnlich äußert sich Leipzigs amtierender Oberbürgermeister Andreas Müller. »Wenn Menschen aus der eigenen Region sind, geht das besonders nah.«
Seit fünf Jahren sei Bräunlich bei dem Bennewitzer Unternehmen, berichtet sein Fußballtrainer. Mehrfach sei der gelernte Schlosser im Ausland gewesen, zwei oder drei Mal im Irak. Angst habe er nicht gehabt. »Seinen Erzählungen nach werden die Anlagen dort gut überwacht«, schildert Herrn. In der Freizeit habe sich der 31-Jährige auf seine Familie konzentriert. »Sie geht ihm über alles.«

Artikel vom 26.01.2006