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Papst ruft zu tätiger Hilfe auf

Benedikt XVI. betont in Enzyklika Bedeutung der Liebe im Christentum

Rom (dpa). Papst Benedikt XVI. hat in seiner ersten Enzyklika die Gottes- und Nächstenliebe als Bedingungen für eine sozial gerechte und menschenwürdige Welt hervorgehoben.
Benedikt XVI.: »Auch in den modernen Gesellschaften muss es tätige Nächstenliebe geben.«

Ratzinger in dem gestern in Rom veröffentlichten Dokument »Deus Caritas est« (Gott ist Liebe) die Verpflichtung der Gläubigen und der Kirche zur tätigen Hilfe für Arme und Not leidende. Zugleich erteilt er aber einer Instrumentalisierung christlicher Sozialarbeit für Ideologien oder Parteien eine deutliche Absage. In ersten Reaktionen lobten Caritas und Malteser Hilfsdienst die Enzyklika als Bestätigung und Anerkennung ihrer Arbeit.
»Die Kirche kann nicht und darf nicht den politischen Kampf an sich reißen, um die möglichst gerechte Gesellschaft zu verwirklichen. Sie kann und darf nicht sich an die Stelle des Staates setzen.« Die gerechte Ordnung zu schaffen, sei »zentraler Auftrag der Politik«, betont der Papst in dem Lehrschreiben, das er neun Monate nach seinem Amtsantritt vorlegte und das - in Tradition zu früheren Päpsten - als Richtung weisend für sein Pontifikat gilt.
Die Kirche habe die mittelbare Aufgabe, »zur Reinigung der Vernunft und zur Weckung der sittlichen Kräfte beizutragen«. Die unmittelbare Aufgabe, für eine gerechte Ordnung in der Gesellschaft zu wirken, komme dagegen eigens den Laien als Staatsbürgern zu.
Im ersten Teil der Enzyklika setzt sich das katholische Kirchenoberhaupt mit dem oft auf das Sexuelle reduzierten Liebesverständnis auseinander. Dieser Auffassung stellt er die umfassenderen Dimensionen des christlichen Liebesbegriffs gegenüber. Die Liebe zwischen Mann und Frau dürfe nicht zum bloßen Sex degradiert werden. Dadurch werde die Liebe und der Mensch zur Ware, kritisiert der Papst und nennt die Ehe als gebotene Lebensform von Mann und Frau: Dem monotheistischen christlichen Gottesbild »entspricht die monogame Ehe.«
Die Liebe verbinde Gott mit den Menschen sowie die Menschen untereinander. Dies sei besonders aktuell in einer Welt, in der mitunter im Namen Gottes zu Hass und Gewalt aufgerufen werde, heißt es mit Blick auf den Terrorismus.
Den Vorwurf, Hilfe für Not leidende Menschen würde am Ende nur sozial ungerechte Verhältnisse stabilisieren, weist der Papst scharf zurück. Solche denunzierende Kritik sei in Wirklichkeit »eine Philosophie der Unmenschlichkeit«. »Der jetzt lebende Mensch wird dem Moloch Zukunft geopfert, einer Zukunft, deren wirkliches Heraufkommen zumindest zweifelhaft bleibt.«
Enzykliken sind verbindliche päpstliche Lehrschreiben, die sich an die gesamte katholische Kirche richten. Sie gelten aber nicht als »unfehlbar«. Benedikt, der im vergangenen April gewählt wurde, unterzeichnete das von ihm selbst verfasste Schreiben offiziell am ersten Weihnachtstag.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, meinte, das Schreiben »ist ein theologisch, spirituell, pastoral und sozial tief angelegter Impuls, mit dem der Papst uns für die Sendung in der heutigen Welt mehr Mut machen will«. Der Papst treffe »im Blick auf die Chance des christlichen Glaubens ins Schwarze«.
Der Präsident des Deutschen Caritas-Verbandes, Peter Neher, sprach von einer hohen Wertschätzung für die Arbeit der Hilfsorganisation. »Benedikt XVI. zeigt, wie wichtig die Liebe für das Leben aller Menschen ist. Persönlich, theologisch, aber auch im sozialen Miteinander«, kommentierte Johannes Freiherr Heereman, Geschäftsführender Präsident des Malteser Hilfsdienstes, die erste Enzyklika des Papstes.

Artikel vom 26.01.2006