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Brandstiftung als Ausdruck
der Hoffnungslosigkeit

Borderline-Kranke zu Bewährungsstrafe verurteilt

Bielefeld (JJ/uko). Mit einer schweren Brandstiftung wollte eine junge Frau auf sich aufmerksam machen. Die Folge: Minuten später stand ihre Wohnung in Flammen. Gestern wurde am Bielefelder Amtsgericht über das Schicksal der Bielefelderin, die am Borderline-Syndrom leidet, verhandelt. Das Urteil: eineinhalb Jahre Bewährungsstrafe.

Am 14. April 2005 ging um etwa 1.45 Uhr bei der Feuerwehr ein Notruf ein: Eine junge Frau bat die Beamten, sich sofort in der Bernhard-Mosberg-Straße einzufinden. »Ich wollte mich umbringen und habe in meinem Wohnzimmer Feuer gelegt«, sagte Jasmin S. (23, Name geändert). »Aber jetzt habe ich es mir anders überlegt. Kommen Sie bitte schnell.« Als die Feuerwehr am Brandort eintraf, war die junge Frau aus dem ersten Stock des Mietshauses gesprungen, in dem sechs weitere Familien wohnten, und hatte sich den Feuerwehrleuten anvertraut. Die Brandstifterin wurde verletzt ins Johanniskrankenhaus gebracht, weil sie sich beim Sprung aus dem ersten Stock leichte Verletzuntgen zugezogen hatte. Andere Personen kamen nicht zu Schaden.
Ein Polizist, der Jasmin S. später im Krankenhaus aufsuchte, beschrieb, wie die junge Frau in Tränen ausgebrochen sei, als er sie mit dem Vorwurf der Brandstiftung konfrontierte. »Ich wollte wirklich niemanden gefährden, ich habe dabei immer nur an mich gedacht«, beteuerte sie.
Schön öfter habe die junge Frau vorgebliche Selbstmordversuche getätigt, um auf sich aufmerksam zu machen. So nahm sie im Jahr 2004 eine geringe Menge Schlaftabletten ein, die aber nicht zum Tod führten. Außerdem fügte sie sich oberflächliche Verletzungen an den Handgelenken zu, die aber nie ernst gemeint waren. Auch am Tattag konnten die Ärzte Schnittverletzungen an ihren Armen finden. Nach dem Suizidversuch am 14. April 2005 wurde die junge Frau zunächst in die Psychiatrie eingeliefert.
Dort stellte die Gutachterin Hella Wulff fest, dass die junge Frau unter der Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet. Das Borderline-Syndrom macht sich durch wechselhafte Stimmungen, gestörte zwischenmenschliche Beziehungen und ein geschwächtes Selbstvertrauen bemerkbar. Die Sachverständige beschrieb Jasmin S. als eine durchaus orientierte Person, die jedoch durch eine Partnerschaftskrise emotional instabil geworden sei. Weil sie obendrein allein wohnte, sei die junge Frau vollkommen überfordert gewesen. Die junge Frau wünschte sich Aufmerksamkeit, die sie durch den Brand in ihrer Wohnung bekommen habe. Angesichts des Schadens in Höhe von 15 000 Euro und wegen der massiven Gefährdung von Menschenleben verurteilte das Schöffengericht unter Vorsitz Klaus Schmitz die Frau zu eineinhalb Jahren Bewährungsstrafe. Jasmin S. nahm das Urteil an.

Artikel vom 25.01.2006