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Schöffin verliert
Kopftuch-Streit

Muslimin als Richterin abgelehnt

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Eine Schöffin hat sich gestern geweigert, während einer Verhandlung vor dem Bielefelder Landgericht ihr Kopftuch abzunehmen. Daraufhin besetzte die Vorsitzende Richterin die Richterbank in Absprache mit den übrigen Prozessbeteiligten mit einem anderen Laienrichter.

Vor dem Landgericht muss sich seit gestern ein Drogenhändler verantworten, dem der Verkauf von Heroin in 121 Fällen zur Last gelegt wird. Die Richterbank war mit der Vorsitzenden Jutta Albert, einem beisitzenden Richter sowie zwei Laienrichtern besetzt - einem Mann und einer aus der Türkei stammenden Frau, die zum ersten Mal als Schöffin an einem Verfahren mitwirken sollte. Jutta Albert fragte die neue Schöffin vor ihrer routinemäßigen Vereidigung, ob sie bereit sei, ihr Kopftuch abzunehmen. Das lehnte die Frau jedoch ab. Gerichtssprecher Dr. Heinz Misera: »Die Frau sagte, das Tuch sei ein Symbol ihres Glaubens, und sie werde es aufbehalten.« Der Vorsitzenden Richterin kamen daraufhin Zweifel an der Neutralität der Frau - eine Besorgnis, die auch von Staatsanwalt van Münster und Verteidiger Dr. Detlev Binder geteilt wurde. Der Prozess wurde deshalb mit einem anderen Schöffin begonnen.
»Das war wahrscheinlich das erste Mal, dass sich ein Gericht in NRW mit dieser Frage befassen musste«, sagt Jens Gnisa aus Horn-Bad Meinberg, Landesvorsitzender des Deutschen Richterbundes. Für ihn ist die Entscheidung der Prozessbeteiligten nur folgerichtig: »Der Staat hat auch in Bezug auf Religionen Neutralität zu wahren. Ein Richter darf seine Weltanschauung nicht nach außen tragen, und das gilt auch für Schöffen.« Zwar gebe es, wie etwa in Paderborn, Gerichtssäle, in denen christliche Kreuze hingen: »Aber es ist sichergestellt, dass Prozesse in kreuzfreie Räume verlegt werden, sollte sich einer der Prozessbeteiligten von dem Kruzifix gestört fühlen«, sagte Gnisa. Das sei in den vergangenen Jahren aber erst ein- oder zweimal vorgekommen.
Ein generelles Kopftuchverbot für Schöffinnen besteht in Nordrhein-Westfalen nicht: Das Landesjustizministerium hatte 2004 eine entsprechende Anfrage der FDP mit dem Hinweis beantwortet, die Entscheidung sei ins Ermessen des Richters gestellt, der für den ordnungsgemäßen Prozessverlauf zu sorgen habe.
Befürchte er Verstöße gegen das Neutralitätsgebot, müsse er das Kopftuchtragen verbieten. Andererseits gebe es zu verhandelnde Sachverhalte, in denen der Prozess durch ein Kopftuch nicht beeinträchtig werde.
Schöffen werden übrigens vor ihrem ersten Einsatz nicht speziell auf ihr Amt als Laienrichter vorbereitet. Dr. Heinz Misera erklärt: »Man kann sich übers Internet oder per Postkarte bewerben und wird ausgewählt - ohne dass es einer persönlichen Vorstellung bedarf.«

Artikel vom 25.01.2006