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Freie Schulwahl gefordert

Elternschaft läuft Sturm gegen NRW-Gesetz - Schüler demonstrieren

Von Andreas Kolesch
Düsseldorf (WB). Die Landeselternschaft der NRW-Grundschulen fordert von der Landesregierung das uneingeschränkte Elternrecht auf freie Wahl der weiterführenden Schule. Die im neuen Schulgesetz geplanten Einschränkungen seien verfassungswidrig.

Nach dem im Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf sollen im Zweifelsfall nicht die Eltern, sondern eine Kommission aus Lehrern und Schulaufsichtsbeamten darüber entscheiden, ob ein Kind etwa das Gymnasium oder die Realschule besuchen darf. Maßgeblich ist künftig die Empfehlung der Grundschule. Wollen die Eltern ihr Kind etwa für das Gymnasium oder die Realschule anmelden, obwohl die Grundschule diese Schulformen nicht empfiehlt, soll das Kind einen dreitätigen Probeunterricht besuchen.
Dieser Prognose-Unterricht ist auch dann notwendig, wenn die von den Eltern gewünschte Schule das Kind auch ohne Grundschulempfehlung aufnehmen würde. Das sagte gestern Schulministeriumssprecher Andrej Priboschek dieser Zeitung.
Die Test-Stunden sollen an zentraler Stelle für jeweils einen gesamten Schulamtsbezirk erteilt werden. Stellt die Unterrichtskommission fest, dass »die Eignung für die gewählte Schulform offensichtlich ausgeschlossen ist«, wie es im Entwurf des Schulgesetzes heißt, sollen sich die Eltern diesem Urteil beugen müssen.
Die Landeselternschaft übt scharfe Kritik sowohl an der Einschränkung der Schulwahlfreiheit als auch an dem Testverfahren. »Den Kindern wird ein dreitägiges Schaulaufen zugemutet, demzufolge fremde Menschen zu einem klareren und vor allem einem verbindlicheren Urteil kommen sollen, als es Eltern nach zehn Jahren können«, sagte gestern Martin Depenbrock, Vorsitzender der Landeselternschaft, die die Interessen der Eltern der 758 000 Grundschulkinder vertritt.
Depenbrock kritisiert zudem, dass das Land bis heute keine Zahlen darüber vorgelegt habe, wie viele Kinder tatsächlich die Schule wechseln müssen, weil sie trotz fehlender Empfehlung aufs Gymnasium oder zur Realschule geschickt wurden und dort überfordert waren. Zudem verstoße die Einschränkung der freien Schulwahl gegen den Paragraphen 8 der Landesverfassung. Dort heißt es: »Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Eltern zu bestimmen, bildet die Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens.« Depenbrock geht davon aus, dass Eltern gegen die Abweisung von Kindern klagen werden. Das neue Gesetz soll zu Beginn kommenden Schuljahres in kraft treten.
Auch die Landesschülervertretung (LSV) Nordrhein-Westfalen kritisiert das neue Schulgesetz. Die geplante Novelle verschärfe soziale Auslese und Leistungsdruck in den Klassen und baue Mitbestimmung ab, erklärte die Vorstandssprecherin Sara Loetz gestern in Düsseldorf. Mit einer Unterschriftenaktion und einer Kundgebung am 14. März in Düsseldorf will die Landesschülervertretung gegen die Pläne protestieren. Die Demonstration soll sich vor allem gegen die Stärkung der Lehrerstimmen in der Schulkonferenz zu Lasten von Schülern und Eltern richten.

Artikel vom 27.01.2006