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Eriksson muss gehen:
Abpfiff nach der WM

Englands Trainer-Theater: Hitzfeld ist im Gespräch

London (dpa). Die »Scheich-Affäre« hat Englands Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson den Job gekostet. Der englische Fußball-Verband FA gab bekannt, dass der Vertrag mit dem 57-jährigen Schweden nach der WM in Deutschland vorzeitig aufgelöst wird.

Als mögliche Nachfolger sind unter anderem der deutsche Meistermacher Ottmar Hitzfeld (zuletzt FC Bayern München) und der Niederländer Guus Hiddink im Gespräch. Eriksson war vergangene Woche in die Kritik geraten, nachdem er gegenüber einem als Scheich verkleideten Journalisten brisante Details verraten und mehrere Premier-League-Clubs als korrupt bezeichnet hatte.
»Dies geschieht zum Wohle aller, die mit dem englischen Fußball verbunden sind, vor allem der Fans«, teilte die FA in einer Erklärung mit. »Vielleicht war das eine Geschichte zu viel aus meinem Privatleben«, meinte Eriksson auf einer Pressekonferenz und lenkte den Blick auf das Sportliche: »Wir wollen die WM gewinnen und haben eine gute Chance, Weltmeister zu werden.« Die FA will bis zur WM an dem umstrittenen Coach festhalten, dessen Vertrag eigentlich bis 2008 datiert war. »Sven ist definitiv der Mann, der uns bei der Endrunde in Deutschland anführt.«
Team-Kapitän David Beckham wurde von der vereinbarten Trennung im Vorfeld informiert. »Ich rief ihn zehn Minuten vor Bekanntgabe an, und er meinte: ÝDas tut mir leidÜ«, sagte Eriksson.
Über die Nachfolge wird bereits spekuliert. »Hitzfeld, der genug Trophäen hat, um eine Flugzeughalle zu füllen, verdient es immer, ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden«, schrieb »The Guardian«. Neben Hiddink seien der frühere Celtic-Coach Martin O'Neill, Sam Allardyce (Bolton) und Steve McClaren (Middlesbrough) weitere Chef-Coach-Kandidaten.
Eriksson, der den Weltmeister von 1966 seit mehr als fünf Jahren trainiert, wird eine millionenschwere Abfindung erhalten. Die Presse des Landes spekuliert mit drei bis neun Millionen Euro. Der Schwede hatte sich in dem Gespräch mit dem angeblichen Scheich als Coach von Aston Villa ins Gerede gebracht und über mehrere Nationalspieler gelästert. Am Wochenende war bekannt geworden, dass er auch drei Premier-League-Clubs der Korruption bezichtigt hatte.
Diese »Scheich-Affäre« war ein Skandal zu viel für Englands Nationaltrainer. »Sven, Du bist Geschichte, nun schreibe welche« titelte gestern der »Daily Mirror« und die »Daily Mail« brüllte: »Hau ab, Sven!«
Die britische Presse lehnte den ersten ausländischen Nationaltrainer im Mutterland des Fußballs seit dem ersten Tag ab. »Wir haben unser Geburtsrecht an eine Nation von sieben Millionen Skifahrern und Hammerwerfern verkauft, die ihr halbes Leben in der Dunkelheit verbringen«, schrieb die »Daily Mail« im November 2000 nach der Präsentation des Schweden.
Der nur scheinbar smarte und kühle Eriksson verlor mehr als einmal den Kopf und fütterte die Boulevardpresse regelmäßig mit Stoff wie aus einer schlechten TV-Soap. Die englische Nation kannte so fast jedes Detail aus seinem sehr bewegten Liebesleben.

Artikel vom 25.01.2006