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Brand hat den Titel
schon »abgegeben«

Heute beginnt die Handball-EM in der Schweiz

Von Hans Peter Tipp
Bielefeld (WB). Er hat so viele Länderspiele wie kein anderer Feldspieler im deutschen Europameisterschafts-Aufgebot. Kein Zweifel: Der für den TBV Lemgo auflaufende Florian Kehrmann ist eine der Führungsfiguren im Team des Bundestrainers Heiner Brand.

Sein Wort hat Gewicht. Wenn der 28 Jahre alte Rechtsaußen die heute beginnende Handball-Europameisterschaft (bis 5. Februar) in der Schweiz als »Zwischenstation auf dem Weg zur WM 2007 im eigenen Land« bezeichnet, das ist diese Aussage von einer gesunden Portion Realismus begleitet.
Zwar ist die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) der Titelverteidiger, doch Favoriten sind dieses Mal die Anderen: Weltmeister und Auftaktgegner Spanien (Spielbeginn heute: 15.45 Uhr) oder der WM-Dritte Frankreich zum Beispiel, mit denen es die Deutschen gleich in der Vorrunde zu tun bekommen.
Auch der Bundestrainer hat den Titel längst »abgegeben«: »Wir sind nicht mehr Europameister. Das waren wir vor zwei Jahren. Wir gehen mit einer ganz neuen Mannschaft ins Turnier und können uns deswegen nicht als Titelverteidiger betrachten«, sagt Heiner Brand, der 53 Jahre alte Gummersbacher. Gleichwohl hält er sein Team, neben Kehrmann mit Torwart Carsten Lichtlein und Kreisläufer Sebastian Preiß (beide TBV) und dem Ex-Mindener Frank von Behren (wird seinen Vertrag in Gummersbach nach der EM bis 2009 verlängern) mit vier »Ostwestfalen« besetzt, für konkurrenzfähig: »Ich hoffe, dass wir aus der Außenseiterposition den einen oder anderen Großen ärgern können und gegen die Slowakei unsere vermeintliche Pflicht erfüllen. Wir wollen schon in die Hauptrunde.«
Dass der deutschen Mannschaft, die normalerweise immer und überall als Favorit ins Rennen geht, dieses Mal nur eine Nebenrolle eingeräumt wird, liegt daran, dass das Team mit Blick auf die WM 2007 im eigenen Land mitten im Neuaufbau steht. Aus der goldenen Generation, die vor zwei Jahren den ersten großen Titel seit 1978 eingefahren hat, haben sich bekanntlich nicht nur die drei Lemgoer Volker Zerbe, Christian Schwarzer und Daniel Stephan, sondern auch der Magdeburger Stefan Kretzschmar (dieses Mal ARD-Experte) aus dem Rampenlicht verabschiedet. Da mit dem TBV-Spielmacher Markus Baur eine weitere Stammkraft verletzungsbedingt fehlt und auch Holger Glandorf (Nordhorn) sowie Oleg Velyky (Kronau) kurzfristig ausgefallen sind, ist sogar der Neuaufbau durcheinander geraten. Deshalb gilt es, sich in der Kunst des Möglichen zu bescheiden.
Florian Kehrmann ist sich dabei seiner besonderen Verantwortung bewusst: »Es gibt viel zu tun, packen wir es an«, fordert der Lemgoer von sich und seinen Mitspielern eine positive Herangehensweise. So wie vor zwei Jahren beim großen EM-Triumph in Slowenien. Da war der Lemgoer der erfolgreichste Torschützen der deutschen Meister-Mannschaft.

Artikel vom 26.01.2006