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45 Tote nach
Schreckensfahrt

Schweres Zugunglück in Montenegro

Podgorica (dpa). Beim schwersten Zugunglück in Europa seit der Intercity-Katastrophe von Eschede 1998 sind am Montagabend in Serbien-Montenegro mindestens 45 Menschen ums Leben gekommen. Etwa 200 wurden verletzt.
Rettungskräfte tragen eine Verletzte aus der unwegsamen Schlucht. Foto: Reuters

Zehn Kilometer vor der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica geschah die Katastrophe: Bei einem voll besetzten Regionalzug versagten die Bremsen. In rasender Fahrt entgleisten die Wagen, und die vier vorderen Waggons stürzten 50 Meter tief in die Moraca-Schlucht. Unter den Toten fanden die Bergungsmannschaften fünf Kinder, unter den Verletzten sollen mehr als die Hälfte Kinder und Jugendliche sein. Der Regionalzug war voll besetzt, weil viele Skifahrer aus dem langen Wochenende zurückkehrten.
Überlebende berichteten gestern, wie sie bei der Schreckensfahrt in Panik gerieten. Die Waggons begannen zu schwingen. Zunächst versuchten einige Fahrgäste, durch Gewichtsverlagerung gegenzusteuern. Doch es half nicht. »Gott war heute an einem anderen Ort«, sagte ein Zeuge.
Die Einsatzkräfte von Polizei, Armee und Feuerwehr waren schnell zur Stelle, weil die Bahnbehörden schon früh die unkontrollierte Fahrt bemerkt hatten. Sie hatten in Windeseile die gesamte Strecke in der Hoffnung freigeräumt, der Zug könne in der Ebene von Podgorica auslaufen. Doch der Weg aus dem Gebirge war zu steil. Die Bevölkerung wurde immer wieder aufgerufen, Blut zu spenden, um die vielen Verletzten versorgen zu können. Das unwegsame Gelände, eisiger Wind und die einbrechende Nacht behinderten die Helfer.
»Das ist eine Riesentragödie«, beschrieb Regierungschef Milo Djukanovic das schwerste Eisenbahnunglück in der Geschichte des Landes und ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Verkehrsminister Andrija Lompar und Bahnchef Ranko Medenica traten nur Stunden nach der Katastrophe zurück.
Die Bahnverwaltung berichtete, der Zug sei erst im Vorjahr überholt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Reisende erzählten, ihr Zug habe kurz vor dem Unglück wegen technischer Probleme angehalten. Der Lokführer und der Zugbegleiter hätten sich an den Wagen zu schaffen gemacht, seien aber dann doch weiter gefahren. Minuten später sei es zu dem folgenschweren Unfall gekommen.
Doch unter allem Leid gab es ein kleines Wunder: Eine schwangere Frau erlitt eine Frühgeburt. Doch sie brachte im Krankenhaus ein gesundes Kind zur Welt.

Artikel vom 25.01.2006