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Deutsche Atomwaffen abgelehnt

Alle Parteien weisen Vorstoß von Ex-Verteidigungsminister Scholz zurück

Berlin (Reuters/dpa). Der frühere Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) ist mit seinen Überlegungen zur Bewaffnung mit Atomwaffen auf Ablehnung in den eigenen Reihen und in den anderen Parteien des Bundestages gestoßen.
Scholz hatte erklärt, man müsse diskutieren, ob die atomare Schutzgarantie der USA und der NATO auch unter der Voraussetzung noch greife, dass Atomwaffen auch in die Hände von Terroristen geraten könnten. Bei Zweifeln daran »müssen wir die Frage ernsthaft diskutieren, wie wir auf eine nukleare Bedrohung durch einen Terror-Staat angemessen, im Notfall sogar mit eigenen Atomwaffen reagieren können«. In der Unionsfraktion wurde der Vorstoß als Einzelmeinung bezeichnet.
Scholz räumte ein, dass er an ein Tabu rühre. Aber angesichts der Gefahr, dass Atomwaffen auch in die Hände von Terroristen geraten könnten, müsse diese Frage ernsthaft diskutiert werden. Mit Blick auf die sicherheitspolitischen Veränderungen seit dem Ende des Kalten Krieges forderte er bindende Zusagen von den Partnerländern und der NATO, »dass sie Deutschland auch vor einer nuklearen terroristischen Bedrohung oder Erpressung mit dem Einsatz von Atomwaffen schützen«. Wenn solche Zusagen nicht erreichbar seien, müsse man die Frage eigener deutscher Atomwaffen diskutieren.
Scholz, der 1988 bis 1989 Verteidigungsminister war, bezog seinen Vorstoß ausdrücklich auf die Sorgen über das Atomprogramm des Iran, das eine neue Debatte über die Atompolitik ausgelöst hatte. Angesichts des iranischen Atomprogramms sei das von ihm beschriebene Szenario keineswegs abstrakt.
Der Iran wird verdächtigt, nach Atomwaffen zu streben. Vor diesem Hintergrund hatte Frankreichs Präsident Jacques Chirac damit gedroht, einen Terrorangriff auf sein Land unter Umständen mit Atomwaffen zu beantworten. In der Unionsfraktion hieß es, die Aussagen von Scholz spiegelten nicht die Meinung der Fraktion wider, der der Ex-Minister auch nicht mehr angehört. Zweifel und Forderungen im Zusammenhang mit Schutzzusagen der USA sind politisch heikel, da vor allem die Union unter Bundeskanzlerin Angela Merkel um eine Verbesserung der deutsch-amerikanischen Beziehungen bemüht ist.
Die Bundesregierung hält im Streit um das iranische Atomprogramm eine Diskussion über etwaige militärische Optionen für nicht hilfreich. Gefragt seien nicht Spekulationen über militärische Optionen, sondern gemeinsames Handeln der internationalen Staatengemeinschaft, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD).
SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold lehnte die Überlegungen von Scholz ab. »Ich sehe keine Partei in Deutschland, die ernsthaft über atomare Aufrüstung diskutiert«, sagte er. Die Eindämmung der Verbreitung von Atomwaffen erreiche man nicht, indem man selbst solche Waffen beschaffe. Deutschland sei zudem fest in die NATO mit ihrer Beistandsverpflichtung eingebunden.
Der FDP-Sicherheitsexperte Rainer Stinner nannte Forderungen nach deutschen Atomwaffen vor dem Hintergrund des Streits mit dem Iran völlig kontraproduktiv. »Sie gießt gegenüber dem Iran Öl ins Feuer.«

Artikel vom 27.01.2006