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Entführte Ingenieure waren
ohne Leibwächter unterwegs

Für das kleine Team der deutschen Vertretung brechen harte Zeiten an

Von Anne-Beatrice Clasmann
Kairo (dpa). Ähnlich wie die im November entführte Archäologin Susanne Osthoff haben sich auch die beiden deutschen Ingenieure, die gestern im Irak verschleppt wurden, nicht von Leibwächtern begleiten lassen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Entführung tagte in Berlin der Krisenstab. Die entführten Ingenieure sollen erst den dritten Tag in ihrer neuen Stelle gearbeitet haben. Nach Schätzungen leben noch bis zu 200 Deutsche im Irak. Die große Mehrheit wegen familiärer Bindungen, meist sind es Frauen mit irakischen Ehemännern.

Das berichtet zumindest ein Angestellter der Firma, für die sie in der Stadt Bedschi tätig waren. Dass sich die Männer, die aus Leipzig stammen sollen, in der Stadt aber nicht wirklich sicher gefühlt haben können, belegt die Tatsache, dass sie zum Schlafen in eine irakische Kaserne gingen.
Noch kann niemand sagen, ob es sich bei den Entführern um Lösegelderpresser oder um Extremisten handelt. Doch diesmal könnte es noch schwieriger werden als im Fall Osthoff. Bislang hatte sich Deutschland aus Sicht der Extremisten, die gegen die irakische Übergangsregierung und die US-Truppen kämpfen, nichts zu Schulden kommen lassen - wenn man einmal von seiner Hilfe bei der Polizeiausbildung absieht.
Doch die deutschen Medienberichte über eine angebliche Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an der Auswahl einzelner Angriffsziele des US-Militärs in Bagdad während des Krieges 2003 haben in den vergangenen Tagen auch in der arabischen Welt hohe Wellen geschlagen. Für diese Berichte liegen zwar bislang keine Beweise vor, »doch irgendwas bleibt leider immer hängen«, gibt ein deutscher Diplomat in Kairo zu bedenken.
Schlecht sieht es nach Einschätzung von Ausländern in Bagdad auch aus, wenn es den Entführern darum gehen sollte, die Bundesregierung zu erpressen und Lösegeld für die Freilassung der beiden Deutschen zu fordern. Denn der Fall Osthoff hat auf diesem Gebiet - auch wenn das Auswärtige Amt die Zahlung von Lösegeld für ihre Freilassung nie bestätigt hat - Maßstäbe gesetzt. Im Irak munkelt man von einer hohen Summe, die da gezahlt worden sein soll, und so etwas weckt bei Kriminellen die Gier.
Für das kleine Team der deutschen Vertretung, das in Bagdad hinter Sandsackwällen lebt und mit seinen begrenzten Mitteln versucht, im irakischen Chaos politische und humanitäre Arbeit zu leisten, brechen jetzt wieder harte Zeiten an. Die Mitarbeiter müssen sich mit Hochdruck um die Beschaffung von Informationen über die neue Geiselnahme kümmern. Dabei liegt ihnen die letzte Krise noch schwer im Magen, vor allem der Bericht des Nachrichtenmagazins »Focus«, Mitarbeiter der Botschaft hätten in der Kleidung von Susanne Osthoff Dollar-Scheine aus dem Lösegeld gefunden, als sie nach ihrer Freilassung in der Botschaft die Dusche benutzte.
Wie viele Deutsche sich nach der Osthoff-Entführung jetzt noch im Irak aufhalten, lässt sich nur schwer sagen. Denn die meisten deutschen Experten, die das Land trotz der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besuchen, melden sich nicht bei der Botschaft. Schätzungen liegen zwischen einem knappen Dutzend - wenn man die mit Irakern verheirateten deutschen Ehefrauen abzieht - und mehr als 200.

Artikel vom 25.01.2006