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Schüler ab ins »Drillcamp«

Gesamtschullehrer Horst Hensel legt pädagogische Streitschrift vor

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Der Satz mit dem »Drill-Camp« schockiert am stärksten. Wenn Gesamtschullehrer Horst Hensel (58) seine noch ideologiefrommen Kollegen provozieren will, dann wird er militärisch: »Statt eine beschützende Werkstatt müsste die Schule für so manchen Schüler ein Drill-Camp sein.«

Nach 32 Jahren Gesamtschuldienst hat Hensel keine Lust mehr auf die vom Schulministerium verordneten Sprachschablonen, auf die 999. Methoden-Reform und die pädagogische Illusion von der Einheitsschule, in der die guten Schüler die schlechteren mit nach oben ziehen. »Das Gegenteil passiert. Die schlechten Schüler ziehen die anderen mit runter. Das ist die Realität in den Klassen«, sagt der in Gütersloh lebende und in Kamen arbeitende Lehrer.
Wenn der Unterricht wegen anhaltender Unruhe und Verspätungen stets erst eine Viertel Stunde später beginne, wenn Hausaufgaben nicht erledigt würden und die Konzentrationsspanne keine 20 Minuten lang anhalte, dann verlören auch die guten Schüler diese wertvolle Zeit. »Wir haben kein Unterrichts-, sondern ein Erziehungsproblem«, ist Hensel überzeugt.
So formuliert er es in seinem neuen Buch »Erziehen lernen«, das die Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung veröffentlicht hat (ISBN: 3-7800-4940-6). In seiner »Streitschrift wider die Konsenspädagogik« plädiert Hensel dafür, der Schule und den Lehrern wieder mehr erzieherische Macht zu erteilen. Kopfnoten gehören seiner Ansicht nach ebenso ins Zeugnis wie die Zahl der Fehlstunden. Über ein kritisches Gespräch mit dem Lehrer zum sozial nicht erwünschten Verhalten würde ein Schüler nur grinsen - drohe ihm jedoch ein Jahr Fahrverbot, wäre er sicherlich verhandlungsbereit.
Der nun normalerweise fällige Faschismus-Vorwurf zieht bei Hensel nicht. Der Lehrer hat die Fachzeitschrift »demokratische erziehung« mit herausgegeben, mehr als 21 Bücher geschrieben, er spricht an Universitäten und gründete den »Runden Tisch gegen Rechts« in Kamen. Seine Meinung liegt voll auf der Linie des Deutschen Richterbundes, der die staatliche Schwäche moniert, die straffällige Kinder und Jugendliche immer wieder erfahren. Ein ideales Modell zur Umsetzung seiner Ideen sieht Hensel übrigens im Gütersloher Bündnis für Erziehung: »Die Stadt Gütersloh zeigt, dass Erziehung als lokale Aufgabe begriffen und von allen Beteiligten gemeinsam unternommen werden kann,« heißt es im Buch.

Artikel vom 25.01.2006