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Sextäter besitzt
Liste mit 250
Kindernamen

Behörden weitgehend machtlos

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). In Bielefeld sind bei einem vorbestraften Kinderschänder handschriftliche Listen mit Namen und Adressen von etwa 250 Mädchen entdeckt worden. In seinem Tagebuch beschreibt der Mann zudem, wie er Kindern auflauern, sie knebeln und missbrauchen will. »Wir haben jedoch keine Handhabe, ihn dafür zur Rechenschaft zu ziehen«, sagte Oberstaatsanwalt Harald Krahmüller gestern.

Der heute 26 Jahre alte Mann war im Jahr 2003 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Jugendstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Nach Verbüßung der Haft war er in eine Wohneinrichtung der von Bodelschwingh'schen Anstalten in Bielefeld-Bethel aufgenommen worden, die ihn wieder in die Gesellschaft integrieren sollte. Georg Döge, der Leiter der Einrichtung: »Bei einer routinemäßigen Überprüfung des Zimmers fanden meine Kollegen die Listen mit den Mädchennamen und das Tagebuch des Mannes.« Außerdem wurden Zeitungsausschnitte von Sexualmorden an Kindern entdeckt. »Wir haben umgehend die Polizei alarmiert«, sagte Döge.
In seiner Vernehmung gab der Beschuldigte an, er habe diese Zeitungsausschnitte gesammelt, »weil die Täter das getan haben, was ich mir vorstelle.« Es sei »eine Möglichkeit, an ein Mädchen zu kommen.« Zu den weit mehr als 200 penibel aufgelisteten Mädchennamen erklärte der Mann, er habe die Personalien und Adressen der Kinder aus der »Deister- und Weserzeitung« abgeschrieben, die er während seiner Haft in der Jugendstrafanstalt Hameln gelesen habe. Die Mädchen hätten mit ihrer Anschrift als Kommunionkinder in der Zeitung gestanden. Der Beschuldigte hatte sich außerdem Zugverbindungen notiert, mit denen er die Mädchen hätte erreichen können. Nach Aussagen des Mannes soll es aber nie eine Kontaktaufnahme mit einem der 250 Kinder gegeben haben, die alle im Großraum Hameln leben.
Oberstaatsanwalt Krahmüller: »Wir haben das stichprobenartig überprüft und festgestellt, dass der Mann wohl tatsächlich keines der Mädchen angesprochen hat. Und für seine Phantasien kann niemand zur Rechenschaft gezogen werden - so konkret sie auch sein mögen.«
Dennoch hat die Staatsanwaltschaft den Mann, der sich in einer Vernehmung selbst als »tickende Zeitbombe« beschrieben hat, vorläufig in der Gerichtspsychiatrie Lippstadt-Eickelborn unterbringen können: »Er hat nämlich bei der Kripo gestanden, im Frühjahr 2005 im Bielefelder Erlebnisbad Ishara einmal ein kleines Mädchen unsittlich berührt zu haben«, sagte Krahmüller. Dieses sei der einzig strafrechtliche Vorwurf, den man dem Beschuldigten derzeit machen könne. Es sei bereits Anklage bei der Großen Strafkammer erhoben worden. »Einen Prozesstermin gibt es aber noch nicht«, sagte gestern Gerichtssprecher Dr. Heinz Misera.
Der Mann hatte zugegeben, im »Ishara« einem Mädchen zwischen die Beine gefasst zu haben. Das Kind sei zu drei Erwachsenen gelaufen, die ihn zur Rede hätten stellen wollen. Er habe das Bad daraufhin verlassen.
Im Prozess will die Staatsanwaltschaft versuchen, eine Unterbringung des 26-Jährigen in Eickelborn zu erreichen. »Das wird allerdings schwierig, denn bis heute weiß niemand, ob es diese Tat im Ishara tatsächlich gegeben hat, oder ob sie der Phantasie meines Mandaten entsprungen ist«, sagt Strafverteidiger Carsten Ernst aus Bielefeld. »Eine Anzeige ist nämlich von den Eltern des Mädchens nie erstattet worden.«

Artikel vom 24.01.2006