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Die USA der Folter bezichtigt

Europaratsermittler Marty: keine Beweise für geheime CIA-Gefängnisse

Straßburg (dpa). Der Europaratsermittler Dick Marty hat den USA vorgeworfen, sie ließen Gefangene systematisch im Ausland foltern. Beweise für angebliche CIA-Geheimgefängnisse in Europa erbrachten Martys Ermittlungen aber nicht.
»Es gibt viele übereinstimmende Indizien, die auf ein regelrechtes System der Auslagerung von Folter hinweisen«, sagte der Schweizer Abgeordnete gestern bei der Vorlage eines Zwischenberichts im Straßburger Europarat.
»Im Moment gibt es keine formalen, unwiderlegbaren Beweise für die Existenz geheimer Gefängnisse in Rumänien, Polen oder anderen Ländern«, erklärte Marty. Allerdings gebe es zahlreiche Hinweise aus »zuverlässigen Quellen«, die weitere Untersuchungen rechtfertigten. Nach den Worten des rumänischen Präsidenten Traian Basescu haben Behauptungen, wonach es in Rumänien CIA-Gefängnisse geben soll, keine reale Grundlage. Neue Erkenntnisse erhofft sich Marty von Informationen der europäischen Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol. Er müsse noch Flugpläne auswerten, die bei der Aufklärung über die Routen der von der CIA genutzten Maschinen helfen sollen.
Zudem sollen Bilder des Satellitenzentrums der EU von Flugplätzen in Polen und Rumänien zeigen, ob dort Gefängnisse auf- oder abgebaut wurden.
Marty verwies auf die bekannten Beispiele illegaler Verschleppungen in Europa und nannte den islamischen Prediger Abu Omar in Italien oder den deutschen Staatsbürger Khaled El Masri. Das sei von den zuständigen Behörden nie bestritten worden. Insgesamt seien in den vergangenen Jahren mehr als 100 Menschen in Europa festgenommen und in Drittländer gebracht worden, wo sie gefoltert worden seien, zitierte Marty Presseartikel. »In Europa wurden Menschen entführt, nach Afghanistan oder Guantánamo gebracht und dort ohne juristischen Beistand illegal festgehalten«, sagte Marty. »Das sind kriminelle Handlungen, die gegen die Gesetze zivilisierter Länder verstoßen.«
Die CIA habe in Hunderten von Fällen europäische Flughäfen genutzt. »Es ist höchst unwahrscheinlich, dass europäische Regierungen oder zumindest ihre Geheimdienste von den Verschleppungen nichts wussten«, sagte der Schweizer Liberale.
Der Sonderermittler warf mehreren europäischen Regierungen vor, bewusst auf Aussagen mutmaßlicher Terroristen zurückzugreifen, die in Drittländern unter Folter gemacht wurden. Die US-Regierung scheine davon auszugehen, dass die Instrumente eines Rechtsstaates nicht ausreichten, um der terroristischen Bedrohung zu begegnen, kritisierte Marty.
Europa müsse klar und unmissverständlich erklären, dass es solche Methoden nicht dulde.
In der Debatte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates begründete Marty den Mangel an Beweisen mit dem Argument, er sei kein Richter: »Ich habe keine besonderen Untersuchungsmittel an der Hand und verfüge nur über eine rudimentäre Logistik.« Die Mitgliedsregierungen des Europarats sollten die Untersuchungen tatkräftig unterstützen. »Wir müssen wissen, ob wir bei der Bekämpfung des Terrors auf Recht und Menschenrechte verzichten«, sagte Marty.
Martys Untersuchungen wurden von den Europaratsparlamentariern gelobt, stießen aber auch auf Kritik. Der Bericht »hat mehr Löcher als ein Schweizer Käse, bringt keine Beweis und nichts Neues«, sagte der britische Labour- Abgeordnete Denis MacShane. Die SPD-Abgeordnete Herta Däubler-Gmelin forderte alle Regierungen auf, unter Folter erbrachte Informationen nicht vor Gericht zu verwenden und zu ächten. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 25.01.2006