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Madonnenhafte Wesen
erzittern bei jedem Luftzug

Abbilder von Gabriele Undine Meyer in der »Rampe«


Bielefeld (uj). Erinnerung ist ein Phänomen, das auf vielfältige Weise in Gang gesetzt wird. Die Künstlerin Gabriele Undine Meyer nutzt dazu visuelle Sinneseindrücke. Auf der Grundlage alter Fotoportraits unternimmt sie den künstlerischen Versuch, kollektive Erinnerungsprozesse wachzurufen. Arbeiten aus verschiedenen Werkgruppen präsentiert jetzt Marion Dueball in ihrem Kunstraum »Rampe«.
Die Werkgruppe »Recall«, entstanden 1999, ist in einer überarbeiteten Fassung zu sehen. Sie besteht aus fotografischen Reproduktionen alter, gefundener Portraitfotos. Meyer überträgt sie mittels Fotoemulsion auf hauchdünnes Pergaminseidenpapier mit Spinngewebeprägung. Das Ergebnis sind diffuse schemenhafte Bilder, die zwischen malerischem Duktus und Fotografie changieren und die abgebildeten Personen wie geisterhaft erscheinen lassen.
Eine dimensionale Überhöhung und Weiterentwicklung erfahren die Portraits in digitalisierter Auflösung. Am Computer bearbeitet und mit einem Blaustich versehen, lässt Meyer sie auf hauchzarte Voile-Vorhänge drucken. Beim leichtesten Luftzug erzittern die madonnenhaft wirkenden Abbilder, die die Künstlerin als »Beatifics«, als Glückselige, bezeichnet. »Wie Wesen aus einer anderen Welt sind sie dem Geschehen nahe, zugleich aber auch distanziert. Sie betrachten, was in der Welt geschieht, sind aber nicht involviert. Es sind Chronisten, die das Gesehene registrieren, aber nicht beeinflussen«, charakterisiert Dr. Michael Kröger, MARTa Herford, die Werke.
In einer dritten Serie reproduziert die 50-jährige Künstlerin die Gesichter auf vietnamesische Seide und lässt sie im Zentrum einer quadratischen Farbfläche stehen. Die Reduktion auf das reine Antlitz -Êindividuelle Merkmale wie Frisur, Hals und Kleidung werden bewusst ausgespart - verleiht den Gesichtern eine überpersonale Präsenz.
Die Ausstellung wird am heutigen Dienstag um 19.30 Uhr in der Neustädter Straße 9 eröffnet. Sie läuft bis zum 15. Februar und kann mittwochs bis freitags von 16 bis 19 Uhr sowie samstags von 12 bis 15 Uhr besichtigt werden.

Artikel vom 24.01.2006