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Paul-Gerhardt-Gemeinde lehnt Verkaufsverhandlungen ab

Knappe Mehrheit bei Abstimmung der Versammlung


Bielefeld (bp). Keine Verkaufsverhandlungen für die Paul-Gerhardt-Kirche an der Detmolder Straße. Jedenfalls nicht, solange der Förderverein die Betriebskosten für den Bau an der Detmolder Straße - 25 000 Euro jährlich - aufbringen kann. Das beschloss gestern die Gemeindeversammlung im gut besuchten Saal von Neustadt Marien.
Die Neustädter Mariengemeinde und die Paul-Gerhardt-Gemeinde hatten sich zum 1. Mai 2005 zusammengeschlossen; sie haben gemeinsam 4500 Gemeindemitglieder. An der Abstimmung beteiligten sich - nach mehrstündiger Diskussion - noch knapp 100 Menschen. 54 votierten dafür, keine Verkaufsverhandlungen mit der am Paul-Gerhardt-Zentrum interessierten jüdischen Kultusgemeinde aufzunehmen, 36 waren für die Aufnahme von Verkaufsgesprächen, 15 enthielten sich. Nicht mehr als ein Stimmungsbild, denn das letzte Wort hat der Bevollmächtigtenausschuss, dessen Mitglieder morgen zu einer Sondersitzung zusammenkommen.
Es gebe zurzeit keine finanziellen Gründe für die Gemeinde, die Kirche zu veräußern, sie sei als spirituelle Begegnungsstätte unverzichtbar, zudem sei die Architektur »spezifisch christlich geprägt«. Klaus-Peter Johner, Verwaltungsleiter des Kirchenkreises Bielefeld, wies darauf hin, dass es zwar auf die Gemeinde momentan keinen finanziellen Druck gebe, der Kirchenkreis insgesamt aber solchen Druck aushalten müsse: Die Einnahmen aus der Kirchensteuer seien gegenüber 1992 um 60 Prozent zurückgegangen, der Kirchenkreis habe nur noch 74 300 Gemeindemitglieder, die Kirchensteuer werde weiter sinken, wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Superintendentin Regine Burg wehrte sich gegen Vorwürfe wie den, die Fusion der beiden Gemeinden sei eine »feindliche Übernahme« gewesen, oder sie beschäftige sich zu sehr mit den finanziellen Problemen und vernachlässige die seelsorgerischen Aspekte. Es gehe gerade um den Erhalt der Seelsorge, betonte Regine Burg. 2007 werde es nur noch 28 Gemeinden im Kirchenkreis geben; durch die Sparmaßnahmen bei Gebäuden könne man aber nur eine zukunftsfähige evangelische Kirche gestalten. Ein Ziel der Fusion von Paul Gerhardt und Neustadt Marien sei es auch, die Innenstadtgemeinden zu stärken. Die Superintendentin: »Mir ist das Zusammenwachsen der Gemeinden wichtig, ich bedauere die Polarisierung.«
Von der »Empörung eines Gemeindebezirks, dem man die Kirche nehmen will«, sprach Ulrike Stiewe im Auftrag von Ehrenamtlichen von Paul Gerhardt. Bei einer Unterschriftenaktion seien innerhalb von 14 Tagen 622 Unterschriften zusammengekommen, auf eine Briefaktion habe es 225 Rückmeldungen gegeben. Werde man sich über das Votum der Gemeindeversammlung hinwegsetzen, drohten gestern einige mit Kirchenaustritt und mit dem Klageweg.

Artikel vom 23.01.2006