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Sportlich erfolgreich trotz Spenderniere

Warburger Michael Wilmes ist dankbar, dass er seit mehr als fünf Jahren von der Dialyse befreit ist

Von Carsten Reinhardt
Warburg (WB). Am 1. Oktober 1990 hat sich im Leben von Michael Wilmes alles verändert. An jenem Tag bekam der Industriekaufmann aus Warburg-Menne eine Spenderniere, das von ihm so ersehnte lebensrettende Organ. Es war der zweite Versuch, und diesmal sollte es klappen. Nichts war mehr so wie es war - und Wilmes konnte seither ein neues Hobby entdecken. Eines, das er sehr erfolgreich betreibt: den Sport.

»Weil ich andauernd Nierenentzündungen hatte, war ich kaum belastbar und konnte daher nur wenig Sport machen«, erinnert sich der heute 39 Jahre alte Warburger an die Zeit davor. Die Zeit danach sollte anders aussehen. »Nach einem Jahr bin ich mit leichtem Sport angefangen, bin geradelt und geschwommen, weil es mir gut tat.«
Das wurde von Tag zu Tag etwas mehr, vor allem als Wilmes erfuhr, dass es Deutsche Meisterschaften für Organtransplantierte gibt. 1994 ging er hier erstmals mit 250 weiteren Teilnehmern an den Start - und fuhr gleich die ersten Medaillen ein.
Seither sammelt er von Jahr zu Jahr fleißig Edelmetall, 35 Medaillen bei elf DM-Teilnahmen bislang. Die Spezialdisziplinen sind die Langstrecke in der Leichtathletik (seine Bestzeit über 3000 Meter beträgt 15:32 Minuten) und das 100-Meter-Brustschwimmen (Bestzeit: 2:01 Minuten). Fortsetzung folgt: Im neuen Jahr geht es wieder an den Start, Ende Mai bei der Deutschen Meisterschaft in Seeheim-Jugenheim bei Darmstadt.
Doch ist es nicht der sportliche Ehrgeiz allein, der den 39-Jährigen antreibt, im Gegenteil. »Mehr schätze ich noch die vielen Begegnungen bei solchen Wettbewerben«, verrät Wilmes, »das Treffen mit Gleichgesinnten, mit denen man auf einer Wellenlänge ist.« Das bewog den Organtransplantierten auch zu drei WM-Teilnahmen. Wenn es dort auch nicht zum Platz auf dem Siegertreppchen reichen sollte, sind diese Wettbewerbe für ihn unvergessen, 1997 etwa die weite Reise nach Sydney oder zwei Jahre zuvor die Premiere in Manchester. »Dort habe ich bis heute eine Brieffreundin«, erzählt er.
Früher habe es immer geheißen, mit einer Spenderniere solle man keinen oder nur wenig Sport treiben. »Die Auffassung hat sich in der Medizin gewandelt«, berichtet der Industriekaufmann, »und das Wohltuende des gut dosierten Sportes spüre ich auch bei mir selbst.« Medikamentenverträglichkeit, Blutwerte und Stoffwechsel - in all diesen Bereichen sei das hilfreich, so Wilmes, der auch beim Thema Organspende nach wie vor auf dem Laufenden ist. Er engagiert sich in seiner Freizeit bei der Interessensgemeinschaft GIOS (siehe beistehenden Kasten), die sich im Zusammenwirken von Betroffenen und Medizinern dafür einsetzt, dass noch weit mehr Menschen einen Spenderausweis beantragen und damit eines Tages denjenigen helfen, die dringend auf ein Organ warten.
Schon als Baby hatte Michael Wilmes eine chronische Nierenerkrankung, als ihm die erste Niere entfernt werden musste, war er gerade einmal fünf. Immer wieder Krankheiten, Infektionen, immer wieder Operationen und Klinikaufenthalte - diese Erfahrungen hat der 39-Jährige nicht vergessen.
Wenn er an jenen 1. Oktober 1990 zurückdenkt, dann tut er das vor allem in großer Dankbarkeit: »Es war für mich die absolute Freiheit, unabhängig von der Dialyse zu sein und plötzlich den Tag, das Leben genießen zu können.« Das sei etwas, was viele andere Menschen vielleicht gar nicht verstehen könnten, weil ihnen ein solches Schicksal fremd ist, meint der Warburger. Er wisse es jedenfalls zu schätzen, was es bedeutet, unbeschwert leben zu können. »Das gilt für die Ernährung, für gesellschaftliche Kontakte, für Ausflugsfahrten, für alles eben«, sagt Michael Wilmes mit einem Lächeln und kramt seine Sportkleidung hervor. Genug geredet - jetzt wird trainiert.

Artikel vom 28.01.2006