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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs


Das Christentum steht sich selbst im Wege. Die Wirklichkeit der christlichen Kirchen ist einer der größten Hemmschuhe in der Ausbreitung der Kunde von Gott, wie ihn Jesus der Welt bekannt gemacht hat. Die Kirchen selbst schwächen die Zeugniskraft der Botschaft Jesu.
Diese harten Worte mögen verwundern, aber sie sprechen eine Grundwahrheit aus. Und sie beziehen sich nicht auf den einen oder anderen unglaubwürdigen Christen, sondern auf die Tatsache der Kirchenspaltungen grundsätzlich. Die Uneinigkeit christlicher Gemeinschaften in wesentlichen Bereichen widerspricht nämlich ausdrücklich der Hinterlassenschaft Jesu.
Lesen Sie es nach! Lesen Sie selber nach im Johannesevangelium, es ist die letzte der vier Lebensbeschreibungen von Jesus, die wir in der Bibel finden. Dort steht an äußerst hervorgehobener Stelle der Satz: »Alle sollen eins sein.« (Joh 17,21) Der Verfasser dieser Lebensbeschreibung, Johannes, war als einziger der Evangelisten vermutlich wirklich selber dabei, als das Ende des Lebens Jesu sich näherte. Und er hält für die kurze Spanne zwischen dem letzten Abendmahl und der Festnahme Jesu in einem Garten am Rande der Stadt Jerusalem eine allerletzte eindringliche Rede an die engsten Jünger fest - und ein Gebet. Es ist also fast so etwas wie der letzte Wille Jesu, den er zum Ausdruck bringt.
Und dieser letzte Wille, als Gebet dem Vater vorgetragen, lautet: »Sie sollen eins sein, wie wir eins sind«. Und die Begründung für dieses Herzensanliegen folgt sofort anschließend: »So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich.«
Anders formuliert: âDie Menschen in der Welt werden die Liebe Gottes nicht richtig verstehen, wenn die Christen nicht eins sind! Die Menschen werden auch Jesus nicht wirklich als den Gesandten akzeptieren, wenn das Zeugnis der Christen zersplittert ist! Die Liebe Gottes kommt gebrochen über, wenn schon die Gemeinschaft der Glaubenden gebrochen ist!
Man braucht nicht drum herum zu reden: Genau dies ist eingetreten. Trotz des Herzensanliegens Jesu und trotz seines Gebetes ist es so gekommen, wie er befürchtet hatte. Was er nicht wollte, ist Wirklichkeit geworden: die Christen sind untereinander uneins. Die Christen sind zwar mit weitem Abstand die größte Religion auf dieser Welt, aber sie behindern trotzdem die endgültige Ausbreitung der Botschaft Jesu.
Spricht man mit Mitgliedern anderer Religionen, sagen sie sehr häufig genau dies: die Botschaft von dem einen Gott und von der Liebe kann ja nicht ehrlich sein, wenn die Christen sich untereinander ständig spalten. Das Zeugnis wird so unklar, dass man gar nicht weiß, was man glauben soll. Kürzlich erzählte mir ein religionsloser junger Amerikaner von seiner inneren Not: eigentlich möchte er gern Christ werden, die Botschaft Jesu spricht ihn an. Aber das Gegeneinander kleiner kirchlicher Gemeinschaften in seiner Stadt widere ihn an. Deshalb habe er sich trotz vieler Jahre der Suche noch nicht taufen lassen.
Auch die christlichen Gemeinschaften in Deutschland sind viel zu schnell dabei, die vielen Konfessionen für die passende moderne Darstellungsweise zu halten. Buntheit gehöre zum heutigen Menschen. Ganz sicher ist: darum hat Jesus nicht gebetet. Es ging ihm nicht um Individualisierung und nicht nur um Buntheit um ihrer selbst willen. Er hat statt dessen darum gebetet, dass die Einheit aller Gläubigen Ausdruck der einen Liebe Gottes sei. Und als sich unter den frühen Christen Spaltungen andeuteten, fragte schon Paulus nach: »Ist denn Christus zerteilt?« (1Kor 1,12)
Von der Einheit sind wir heute trotz aller ökumenischen Bemühungen noch weit entfernt. Wir sind auf dem Weg, aber der Weg ist noch lang. In dieser Woche aber knüpfen die großen Konfessionen wenigstens wieder bei Jesus an: Wer stehen nämlich in der Gebetswoche für die Einheit der Christen. Zu diesem Gebet kann jeder beitragen, dem der Wille Jesu am Herzen liegt.

Artikel vom 21.01.2006