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Krankenkasse zahlt nicht:
Firma verschenkt Rollstuhl

Gehbehinderte Doris Meier überglücklich -ÊSchreibfehler in Arztbrief

Von Ingo Schmitz
Höxter (WB). Doris Meier fühlt sich von ihrer Krankenkasse im Stich gelassen. Obwohl die Gehbehinderte eine versteifte Hand hat, will die AOK ihr keinen elektrischen Rollstuhl genehmigen (wir berichteten am 18. Januar). Jetzt gibt es eine überraschende Wendung in dem Fall: Eine Gütersloher Firma hat der Höxteranerin einen elektrischen Rollstuhl geschenkt.

Doris Meier stehen die Tränen in den Augen -Êvor Freude. »Ich kann es nicht glauben«, sagt sie mit zittriger Stimme. Aufmerksam beobachtet sie, wie Axel Schwabedissen das »Geschenk des Himmels« -Êso die 61-Jährige -Êvorsichtig auslädt. Langsam rollt das Elektrofahrzeug über eine Rampe direkt vor die Haustür der Höxteranerin. Die schlägt die Hände vors Gesicht und schluchzt: »Ich habe noch nie etwas gewonnen. Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe!«
Axel Schwabedissen legt ihr beruhigend die Hand auf die Schulter und lädt sie ein, auf dem bequemen Sitz des Rollstuhls Platz zu nehmen. »Als ich den Bericht im WESTFALEN-BLATT gelesen habe, beschloss ich, Frau Meier zu helfen«, erklärt der Geschäftsführer der Gesellschaft für Elektronikentwicklung (GfE) in Gütersloh.
Wie berichtet, hatte die Höxteranerin von der langjährigen Pflege ihres schwer kranken Mannes ein Hüftleiden davon getragen. Seit dem Austausch der Hüfte kann sie nicht mehr laufen. Dennoch lehnte die Krankenkasse den gewünschten Elektro-Rollstuhl ab. Ute Lehne vom Sozialverband Deutschland vermutet, dass dies an einem Schreibfehler liegt. »In einem Arztbrief heißt es, Frau Meier sei ÝpsychischÜ nicht in der Lage zu laufen. Richtig müsste es aber ÝphysischÜ heißen. Solche Schreibfehler sind üblich«, weiß die Vorsitzende des Ortsverbandes aus ihrer langjährigen Praxis.
Damit Doris Meier in den vergangenen Jahren überhaupt an die frische Luft konnte, hatte sie sich mit Hilfe eines Privatkredits einen gebrauchten Elektrorollstuhl gekauft. Doch die Rückzahlung des Kredits und die ständigen Reparaturkosten belasten die 61-Jährige mit der kargen Witwenrente finanziell enorm. Daher hatte sie nun erneut bei ihrer Kasse einen Antrag auf einen Elektro-Rollstuhl gestellt. Der war aber nach Aktenlage abgelehnt worden, ohne die Frau untersucht zu haben.
Auch Axel Schwabedissen kennt aus dem eigenen Bekanntenkreis genügend Beispiele, in denen Krankenkassen sich weigerten, Gehbehinderten einen Elektro-Rollstuhl zu bezahlen. »Daher bin ich vor einiger Zeit auf die Idee gekommen, gebrauchte Rollstühle aus Leasingverträgen aufzukaufen«, berichtet der Geschäftsmann. Als Mess- und Regeltechniker kennt er sich mit Elektromotoren und Akkus aus. Nach einer Generalüberholung bietet er die drei Jahre alten Fahrzeuge zum Kauf an -Êmit einem Jahr Garantie. Der Neupreis liegt bei mindestens 3500 Euro, für einen »Gebrauchten« wird lediglich ein Fünftel des Neupreises fällig. Die Gütersloher Firma -Êsie entwickelt unter anderem Industriesondersteuerungen zum Beispiel für Dieselpartikelfilter -Êhat sich mit dem Handel von Elektro-Rollstühlen einen weiteren Geschäftsbereich eröffnet. Und davon profitiert nun Doris Meier.
Nachdem Axel Schwabedissen ihr eine Einweisung in das Gerät gegeben hat, strahlt die Höxteranerin über das ganze Gesicht und bedankt sich für das Geschenk. »Jetzt kann ich es endlich glauben!«, sagt sie und startet zur ersten kleinen Ausfahrt. Ihren bisherigen Rollstuhl will sie nun verkaufen, um den Kredit zurückzahlen zu können.
Für Ute Lehne ist der Kampf gegen die Allgemeine Ortskrankenkasse trotz des nun geschenkten Rollstuhls noch nicht erledigt. »Wir werden den Antrag aufrecht erhalten«, gibt sie sich kämpferisch.

Artikel vom 23.01.2006