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Humorvoll und dramatisch

NWD: Schwungvolles Geburtstagskonzert für Mozart und Schostakowitsch

Von Ruth Matthes (Text und Foto)
Herford (HK). Gleich zwei »Geburtstags-Kinder« waren am Freitag auf dem Programm der Philharmonie vertreten: Wolfgang Amadeus Mozart, dessen 250. Geburtstag derzeit allerorten gefeiert wird, und Dmitri Schostakowitsch, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. In der Interpretation der ausgewählten Werke durch die NWD wurde deutlich, dass beide der Humor und auch das Gespür für Dramatik verbindet.

Unter der Leitung des dynamischen mexikanischen Dirigenten Carlos Miguel Prieto eröffnete die NWD das Sinfoniekonzert im Schützenhof mit einer Komposition, die als ein Wendepunkt im sinfonischen Schaffen Mozarts gilt, der »kleinen« g-Moll-Sinfonie.
Den Einfluss des Sturm und Drang auf diese Komposition ließ die NWD vom ersten Ton an deutlich werden. Schon allein die von Mozart selten gewählte Tonart macht deutlich, dass hier ein junger Mann seine innere Unruhe und sein stürmisches Temperament auslebt und den Aufstand probt. Mit starken dynamischen Kontrasten, deutlichen Akzenten und zupackenden, bisweilen beinahe ruppigen Passagen gab die NWD diese Stimmung treffend wieder. Auf ein ziemlich gelassen genommenes Andante folgte ein energisches Menuett, das in schönem Gegensatz zu dem Trio stand, das die Bläser im fröhlichen Dur gestalteten. Mit einem Finale voll jugendlichen Elans ließ das Orchester die Sinfonie ausklingen. Solist Nicolas Koeckert präsentierte mit dem 4. Violinkonzert erneut ein Werk, das eine Wende in Mozarts Schaffen markiert. Wie der Violinist und die NWD gut nachvollziehbar vorführten, sind hier erstmals Solist und Orchester eng verzahnt und spielen wirklich gemeinsam.
Was nicht bedeutet, dass der junge Virtuose nicht genügend Gelegenheit gehabt hätte, sein technisches Können in Solo-Einlagen zu beweisen. Der Münchner überzeugte sowohl in den tiefen Lagen als auch in den höchsten Höhen, die er in der Kadenz des ersten Satzes voll auskostete. Er lieferte ein energiegeladenes Allegro, das er durchdacht phrasierte. Gefühlvoll, aber nicht sentimental gelang ihm das Andante, das er mit warmen Tönen gestaltete. Mit einem abwechslungsreichen, im Orchester zu Beginn nicht ganz homogenen, dritten Satz, schloss dieses Werk.
Das Publikum war von dem jungen Solisten so begeistert, dass es sich eine Zugabe erklatschte: eine Bearbeitung des Schubertliedes über den »Erlkönig«, die an Rasanz kaum zu überbieten war. Ein Werk, das in ganz anderem Sinne als die mozartschen viel bewegte, ist die 9. Sinfonie von Schostakowitsch. Nach dem Willen der Partei sollte sie den russischen Sieg im Zweiten Weltkrieg feiern, doch der Komponist konnte sich zu einer bombastischen Hymne nicht entschließen. Im Gegenteil: Er schrieb eine kurze, vergleichsweise schlichte Sinfonie voll ironischer Wendungen. So ließ er im vierten Satz das Fagott in einem Solo den Kommentar des kleinen Mannes zum Krieg abgeben, klagend und ganz und gar nicht begeistert von den Folgen. Solo-Fagottist Ulrich Rühl erfüllte diese Rolle hervorragend und wurde von den dramatisch mahnenden Blechbläsern eingerahmt.
Das Orchester lief in dieser farbig instrumentierten Sinfonie zur Hochform auf und verbreitete im ersten Satz regelrechte Jahrmarktstimmung. Der Schalk schien vor allem den Bläsern im Nacken zu sitzen.
Auch die gewollt übertriebenen, pompösen Stellen arbeitete das Orchester unter Prietos Leitung gut heraus. Auf das von den Holzbläsern dominierte, spannungsreiche und fast mysteriöse Moderato folgte ein spritziges Presto-Intermezzo. Im letzten Satz drehten Schostakowitsch und die NWD dann doch noch etwas auf und lieferten ein - im Vergleich zum Rest der Sinfonie - bombastisches Finale.

Artikel vom 23.01.2006