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Mutmacher will mit Behinderten
die ganz großen Ziele erreichen

Ralf Kuckuck organisiert die Fußball-WM 2006 für Menschen mit Handicaps

Von Stefan Küppers
Halle (WB). Andere Menschen zu ermutigen - diese Situation erlebt Ralf Kuckuck aus Halle (Kreis Gütersloh) beinahe schon alltäglich. Der 43-jährige diplomierte Sportwissenschaftler hat sich auf die Arbeit mit behinderten Menschen spezialisiert. Und in diesem Jahr hat der verwitwete Vater eines elfjährigen Jungen eine ganz besondere Aufgabe. Ralf Kuckuck organisiert als Geschäftsführer die Fußballweltmeisterschaft der Menschen mit Behinderungen vom 26. August bis 17. September in Deutschland.

Diese Weltmeisterschaft findet zum vierten Mal statt. 2002 in Japan wurde die deutsche Mannschaft Vierter. Im Nationalteam spielen junge Männer mit geistigen Behinderungen, darunter mit Maik Paternuga (Bethel), Stefan Pesch und Kai Thiele (beide Wittekindshof Bad Oeynhausen) drei Spieler aus dieser Region. Aufgabe von Geschäftsführer Ralf Kuckuck ist neben der Organisation, die Begeisterung der Spieler aufzugreifen und Menschen mit und ohne Behinderung für das Ereignis zu motivieren und zu mobilisieren. WM-Spiele wird es auch im Gütersloher Heidewald-Stadion sowie in der Schüco-Arena geben.
Zum Studium des Reha- und Behindertensports kam Ralf Kuckuck vor allem aus Neugier. »Ich habe gewiss kein Helfersyndrom«, stellt er klar. Er veröffentlichte nicht nur Fachbücher zu Behinderten-Leistungssport, sondern agierte auch als Nationaltrainer für Schwimmen sowie als Verantwortlicher für Pressearbeit bei den Paraolympics in Atlanta (1996) und Sydney (2000). Hinzu kommen verschiedene Schwimm-Welt- und Europameisterschaften.
Behinderung, das ist für viel mehr Menschen ein Thema, als man gemeinhin glauben möchte. Statistisch ist jeder zehnte Bundesbürger behindert oder von Behinderung bedroht, mithin rund acht Millionen Deutsche. Aktiv Sport treiben freilich nicht mehr als sonst der Durchschnitt der Bevölkerung. Der Deutsche Behindertensportverband, bei dem Kuckuck seit fünf Jahren als eine Art Abteilungsleiter fungiert, ist mit 350 000 Mitgliedern dennoch der weltweit größte.
Sport kann dabei viel innere Stärke verschaffen. Kuckuck: »Ich habe immer versucht, Behinderten den Mut zu eigenständigen Entscheidungen zu geben. Ich will zeigen, was man auch mit einer Behinderung alles machen und erreichen kann.« Mit nur einem Arm kann man zum Beispiel in vier Disziplinen schwimmen. Oder man kann mit einer Bein-Prothese auch ein hervorragender Skifahrer werden. »In kleinen Schritten kann ein Behinderter seinen Leistungsstand erheblich verbessern«, weiß der Sportwissenschaftler. Dazu Mut machen, das geht bei Ralf Kuckuck auch mal mit ein paar Sticheleien und viel Humor einher, den erhobenen Zeigefinger vermeidet er. »Gerade nach Krankenhaus-Aufenthalt und Reha muss Behinderten gezeigt werden, wie sie aus dem Loch herauskommen können. Dazu muss ihnen ihr soziales Umfeld auch mal in den Hintern treten«, weiß Kuckuck, dass es daran oftmals hapert.
Mut war auch in seinem privaten Leben gefragt, als seine Frau vor wenigen Jahren den plötzlichen Herztod starb. Für seinen Sohn Nick (11) reduzierte der plötzlich alleinerziehende Vater beruflich von einer vollen auf eine halbe Stelle. Das sei besser, auch wegen der Schule.
Apropos Schule: Als ehrenamtlicher Vorsitzender des im Altkreis Halle organisierten Vereins »Integra - Gemeinschaft für Gesundheitssport« (knapp 150 Mitglieder) wünscht sich Ralf Kuckuck mehr Mut zur Kooperation gerade auch von den Lehranstalten. Sein großes Ziel ist es, mehr Kinder und Jugendliche mit der Behindertensportgemeinschaft in Kontakt zu bringen, behinderte und nichtbehinderte. Kuckuck: »Schulen sollten den Mut haben, das Thema Behinderung viel stärker aufzugreifen. Wir von Integra wollen dafür gerne kooperieren.« Denn der Haller schwört auf das Normalitätsprinzip. Wenn Behinderungen als etwas Normales akzeptiert werden, ist Integration nicht mehr nur ein Schlagwort.

Artikel vom 28.01.2006