20.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Palazzo Prozzo« wird abgerissen

Bundestag stimmte erneut mit großer Mehrheit der Empfehlung zu

Berlin (Reuters). Der Bundestag hat erneut für den Abriss des Palastes der Republik im Herzen Berlins gestimmt. In namentlicher Abstimmung nahmen die Abgeordneten gestern mit großer Mehrheit eine entsprechende Empfehlung des Kulturausschusses an.
Der Palast der Republik war zwischen 1973 und 1976 nach Plänen von Heinz Graffunder und Karl-Ernst Swora gebaut worden. Foto: Hörttrich

Gleichzeitig lehnten sie Anträge von Linkspartei und Grünen ab, den in den nächsten Monaten bevorstehenden Abriss zu verhindern oder zu verschieben. Der Bundestag hatte bereits 2002 für den Abriss des Prunkbaus aus DDR-Zeiten gestimmt, von dem seit seiner Asbestsanierung nur noch eine Ruine steht.
»Ich sehe keinen wirklich überzeugenden Grund, diesen Beschluss aufzuheben«, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse von der SPD. Der Palast sei auch eine »Kundgebungstribüne der SED« gewesen. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen erklärte: »Der Restpalast muss weg, weil diese Ruine im Herzen Berlins einfach zu hässlich ist und diese schöne Stadt entstellt.« Die Volkskammer, die ihren Sitz im Palast hatte, sei nur ein Scheinparlament gewesen. »Dieser Teil der DDR-Geschichte hat keinen Bestand verdient«, sagte Börnsen.
Nach dem Willen von Bundesregierung und Berliner Senat soll anstelle des Palastes ein »Humboldt-Forum« als Begegnungsstätte für Kultur, Wissenschaft und Kunst entstehen. In das Forum sollen auch Teile der Fassade des 1950 gesprengten Stadtschlosses integriert werden, auf dessen Grundstück der Palast steht. Der Baubeginn für das Forum ist allerdings auch wegen der auf gut 1,2 Milliarden Euro geschätzten Kosten offen.
Für die Linksfraktion warnte Fraktionschef Gregor Gysi, durch den Abriss drohe eine Teilung der Bevölkerung in Sieger und Besiegte.
Der an der Spree gelegene Prachtbau war mit seinem großen Saal für mehr als 4000 Zuschauer, einem Theater und vielen Gaststätten eine im Ostteil Berlins beliebte Vergnügungsstätte. In dem vom Volksmund »Palazzo Prozzo« genannten Palast fanden aber auch die mit großem Pomp inszenierten Parteitage der SED und Kongresse des Gewerkschaftsbundes FDGB statt. Die Abgeordneten der ersten und letzten frei gewählten Volkskammer stimmten in dem Gebäude im Sommer 1990 für den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Kurz darauf wurde es wegen Asbestverseuchung geschlossen.

Artikel vom 20.01.2006