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In Harsewinkel fühlen sich Familien wohl

Platz 2 in Nordrhein-Westfalen: Stadt im Kreis Gütersloh zählt 13,2 Geburten pro 1000 Einwohner

Von Judith Frerick
Harsewinkel (WB). Baby-Boom? Ein solches Schlagworte wird in Deutschland eigentlich nicht mehr in den Mund genommen. Das Land scheint zu vergreisen. Und dabei ist der »Schnuller- Alarm« doch unüberhörbar laut - zumindest direkt vor unserer Haustür. Im beschaulichen Harsewinkel (Kreis Gütersloh) werden 13,2 Geburten pro 1000 Einwohner gezählt. Damit landet die Kleinstadt in der Geburten-Hitliste des Landes Nordrhein-Westfalen auf Platz zwei.

Nur in einer der 396 NRW-Kommunen werden mehr Babys geboren: In Wettringen (Kreis Steinfurt) ist man stolz auf die stramme Geburtenziffer 13,6.
Platz zwei in Nordrhein-Westfalen - da staunte selbst die Führungsetage im Harsewinkeler Rathaus nicht schlecht. Fühlt sich Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide, selbst Mutter von drei Kindern, von diesen windelweichen Zahlen »gepudert«? »Ich bin überrascht, wobei wir vor ein paar Jahren schon einmal die siebtjüngste Gemeinde in NRW waren. Aber dass wir so jung sind, hätte ich nicht gedacht«, meint das Stadt oberhaupt strahlend. Gleichzeitig räumt sie ein: »Wir schaffen seit Jahren gute Rahmenbedingungen. Aber wir sind nicht verantwortlich für den Kindersegen. Das ist immer noch eine sehr private Entscheidung.«
Aber worin liegt denn nun das Geburten-Geheimnis? Schließlich pendelt sich der Durchschnittswert laut Landesamt für Statistik bei einer Geburtenziffer von 8,8 ein. »Sicherlich werden die Zahlen auch durch den Zuzug von Aussiedlern und Ausländern begünstigt. Aber es gibt auch viele Poalbürger mit einem großen Kindersegen«, weiß die Bürgermeisterin zu berichten.
Wie die Familie Diederichs. Anja und Karl-Heinz sind mit ihrer Rasselbande - Niklas, Marcel, Christoph und Gregor - rundum zufrieden. »Hier in Harsewinkel wird man auch mit vier Kindern nicht schräg angeschaut. Im Gegenteil: Hier wird einem noch Respekt entgegen gebracht. Und für die Kinder ist es einfach schön, in einer Großfamilie aufzuwachsen, auch wenn es mal Rangeleien gibt«, erzählt Anja Diederichs. Die Mutter fühlt sich in Harsewinkel gut versorgt, was Schulen, Kindergärten und Freizeitangebote betrifft.
Die Zahlen belegen dies: »Mit 44 Spielplätzen, 14 Ganztagskindergärten, 900 Kindergartenplätzen und fünf Grundschulen sind wir gut ausgestattet«, sieht Stadtplaner Reinhard Pawel einige Pluspunkte. Einzigartig sei auch der Kriterienkatalog, mit dem Bebauungspläne auf ihre Kinderfreundlichkeit abgeklopft werden.
Zur familienfreundlichen Infrastruktur gehören aber auch die Schulen, in die die Stadt in den vergangenen Jahren 30 Millionen Euro investiert hat. Das ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Reinhard Pawel geht auch auf die recht günstigen Baugrundstücke ein: »Hier liegen wir kreisweit im mittleren Feld. Das zieht Familien an.«
Gleichzeitig ist sich der Bauexperte sicher, dass nicht nur Neubaugebiete gefragt sind: »Wir müssen vor allem bestehende Bestände betrachten. Wir wollen keine Altgebiete, die zur Oase der Leere werden. Mehrgenerationenhäuser - das ist die Antwort, auch in Fragen der Betreuung.«
Das sieht die Familie Meyer-Wilmes genau so: Drei Generationen leben am Röwekamp unter einem Dach. Und: Es funktioniert mit Opa Klaus, Oma Lisa, Mutter Irene, Vater Stefan, den Kindern Sarah, Vincent, Leonhard, Helena und dem chilenischen Gastsohn Carlos. »Hier ist immer einer da. Bei uns wird es nie langweilig«, freut sich Nesthäkchen Helena. Irene und Stefan haben sich nach vielen beruflichen Stationen in ganz Deutschland bewusst für Harsewinkel und sein Elternhaus entschieden: »Hier ist die Grundatmosphäre familienfreundlich.«
Kein Wunder, meistert die Stadt doch babypo-weiche Standortfaktoren, wie private Spielgruppen und Freizeitangebote der Vereine und Verbände sowie des Stadtjugendrings mit den Ferienspielen und dem Kinobus, spielend. Das Umfeld sei einfach entscheidend, meint auch Stadt-Pressesprecherin Mechthild Walter: »Wo schon viele Kinder sind, da entscheidet man sich eher für Nachwuchs als zum Beispiel in einer Single-Stadt wie Düsseldorf.«
Das sieht die neunköpfige Familie Brokamp aus Harsewinkel genau so: »Wir fühlen uns mit unserer Großfamilie hier gut aufgehoben«, sind sich die Eltern Magdalene und Stefan Brokamp sowie die Kinder Leonard, Oliver, Johannes, Engin, Simon, Anna Lena und Thomas einig.

Artikel vom 28.01.2006