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Paarläufer sind
medaillenreif

Lindemann trübt die Stimmung

Lyon (dpa). Ausgerechnet der jahrelange Hoffnungsträger Stefan Lindemann hat die deutsche Bilanz bei der Eiskunstlauf-EM getrübt und dem Verband die positive Stimmung vor Olympia verdorben.

»So eine Leistung ist inakzeptabel, das ist nicht der Stefan, der er sein kann«, schimpfte Reinhard Mirmseker, Präsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU), über Platz zwölf. Vor dem Auftritt des Vorjahres-Dritten aus Erfurt frohlockte er angesichts der Vize-Europameister Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy noch: »Das war ein Glanzlicht, jetzt hoffen wir auf eine Olympische Medaille.«
Für den klammen Wintersportverband hängt viel vom Abschneiden der kleinen fünfköpfigen Mannschaft in Turin ab. Gelingt es dem Chemnitzer Paar, ganz oben mitzulaufen, werden die in der niedrigsten Stufe vier angesetzten Fördermittel zumindest in der Disziplin Paarlauf erhöht. Die Hoffnung bestand auch bei den Herren durch Lindemann, WM-Vierter von 2004.
Doch der findet in dieser Saison nicht die richtige Einstellung im Wettkampf: Statt anzugreifen, kneift er bei den wichtigen Sprüngen. »Stefan ist blockiert, es ist eine Sache des Kopfes«, analysierte Mirmseker. Der 25-jährige Sportsoldat gibt zu, dass ihm das Selbstvertrauen fehlt: »Ich habe ja versucht, zu kämpfen«, stammelte er nach seiner zögerlichen Kür zur Filmmusik von »The Big Bounce« (Der große Knall).
Eine Überraschung war da der solide Auftritt von Silvio Smalun aus Oberstdorf, der erstmals seit Jahren an Lindemann vorbeizog und mit Rang acht theoretisch die Qualifikation für Olympia erfüllte. Doch den einzigen deutschen Startplatz hatte sich Lindemann schon im Grand Prix gesichert. »Ich habe meine Leistung gebracht, da muss ich kein schlechtes Gewissen haben«, sagte der Thüringer, der sich drei Wochen vor dem Saisonhöhepunkt mit Mentalcoach Jörg Löhr beraten muss. Zwar startet erstmals seit 1988 wieder ein deutscher Einzelläufer bei Winterspielen, in der derzeitigen Verfassung aber ohne Aussichten auf vordere Platzierungen.
Ein Beispiel an Wettkampfhärte gab in Südfrankreich der Russe Jewgeni Pluschenko, der wegen einer Grippe drei Tage am Tropf hing und nach seinem fünften europäischen Gold erschöpft auf dem Eis lag. »Ich habe geatmet wie ein Fisch, der keine Luft mehr bekommt«, gestand der 23-Jährige, für den eine Absage bei der olympischen Generalprobe nicht in Frage kam. Der ausdrucksstarke Schweizer Weltmeister Stephane Lambiel, vor dem Franzosen Brian Joubert Zweiter, will Pluschenko die Goldmedaille in Turin streitig machen: »Ich bin ein Champion und werde es zeigen.«

Artikel vom 23.01.2006