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Bundeswehrsoldaten brauchen
dringend eine Verschnaufpause

Nach Reformen und Auslandseinsätzen - Wehrbeauftragter legt Bericht vor

Berlin (dpa). Die Bundeswehr braucht nach übereinstimmender Meinung von Regierung und Parlament nach jahrelangen Reformen und schwierigen Auslandseinsätzen dringend eine Verschnaufpause. Den Soldaten werde viel abverlangt, jetzt müsse Ruhe einkehren, sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Freitag im Bundestag.
Auslandseinsätze sind Alltag der Bundeswehrsoldaten. Hier werden sie in einem Bergdorf im Kosovo von Kindern umringt. In diesen Tagen kehren Augustdorfer Soldaten aus dem Kosovo zurück. Foto: Dirk SchröderErinnerte an die Fürsorgepflicht des Staates: Franz Josef Jung.
»Soldaten bringen mehr Leistung für weniger Geld«: Reinhold Robbe.
Das erklärten auch Redner von SPD, FDP und Grünen. Ebenso sagte der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, der den Jahresmängelbericht über die Bundeswehr 2004 vorlegte, die Soldaten bräuchten »dringend Erholung«.
Robbe kritisierte, dass die Soldaten trotz gestiegener Belastungen finanzielle Einbußen wie den Wegfall des Urlaubsgeldes und Einschnitte beim Weihnachtsgeld hätten hinnehmen müssen. Das sei »mehr Leistung für weniger Geld«. Der Mängelbericht 2004, den Robbes Amtsvorgänger Willfried Penner im März vorigen Jahres veröffentlicht hatte, verzeichnet mit 6154 Klagen so viele Beschwerden wie noch nie. Schwerpunkte waren Misshandlungen, Auslandseinsätze und Personalangelegenheiten. Linkspartei und Grüne beklagten, dass sich das Parlament erst jetzt mit dem Bericht befasse.
Jung kündigte unterdessen eine Gesetzesinitiative an, durch die in Auslandseinsätzen verletzte Soldaten einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in der Bundeswehr bekommen sollen. Es sei die Fürsorgepflicht des Staates und der Bundeswehr, im Einsatz für Deutschland »beschädigte Männer und Frauen« nicht »abseits in die Arbeitslosigkeit« rutschen zu lassen, sagte Jung. Sein Vorgänger Peter Struck (SPD) hatte zum Ende seiner Amtszeit eine entsprechende Regelung angeregt.
Bisher bekommen Soldaten nach dem Einsatzversorgungsgesetz finanzielle Hilfen, wenn sie in Auslandseinsätzen verletzt wurden. Das Gesetz war in Folge des Hubschrauberabsturzes im Dezember 2002 in Kabul mit sieben getöteten Bundeswehrsoldaten geändert worden. Als Gesetzeslücke wird aber angesehen, dass es keine Regelung für die Weiterbeschäftigung der Soldaten gibt, die wegen Verletzungen ihren bisherigen Dienst nicht mehr ausüben können. Hier ist etwa eine Beschäftigung in der Bundeswehrverwaltung geplant.
Die SPD-Abgeordnete Hedi Wegener sagte, viele Soldaten kämen mit »inneren Verletzungen - traumatischen Verletzungen« aus dem Ausland zurück. Für Elke Hoff (FDP) spiegelt die hohe Zahl der Beschwerden auch »erheblichen Unmut über die massive Veränderungsprozesse wider«.
Paul Schäfer von der Linkspartei forderte Robbe auf, künftig nicht nur Beschwerden entgegenzunehmen, sondern auch selbst aktiv Rechte der Soldaten zu verteidigen. So monierte er, dass der Fall des Majors Florian Pfaff in dem Penner-Bericht kein Thema sei. Der Software-Spezialist Pfaff hatte im Frühjahr 2003 seine Mitarbeit an der weiteren Entwicklung eines militärischen Software-Programms unter Berufung auf seine Gewissensfreiheit verweigert. Er befürchtete, das Programm könne im Irak-Krieg eingesetzt werden. Dafür war er von einem Truppendienstgericht zum Hauptmann degradiert worden. Im Juni 2005 sprach ihm das Bundesverwaltungsgericht dann das Grundrecht auf Gewissensfreiheit zu. Die Degradierung wurde revidiert.

Artikel vom 21.01.2006