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»Schwierigkeiten räume ich aus dem Weg«

Gehbehinderter Joachim Pfeil hat einen Behindertenkontaktkreis für Enger und Spenge gegründet

Von Volker Zeiger
Enger/Spenge (WB). »Ich habe das Elend mitgemacht. Ich weiß wie es ist, wenn man nicht laufen kann.« Joachim Pfeil hat aus seiner Lage das Beste gemacht und motiviert Andere, es ihm gleichzutun. Der Gehbehinderte gründete für Enger und Spenge einen Behindertenkontaktkreis.

Aus anfangs zehn Teilnehmern, die zu den regelmäßigen Zusammenkünften einmal im Monat montags kommen, sind inzwischen mehr als zwei Dutzend geworden. Pfeils Mut und sein Engagement sind der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben. Er erhielt wegen seiner Arbeit zum Wohl der Allgemeinheit den »Förderpreis für das soziale Ehrenamt«, das die Stadt Enger alle zwei Jahre verleiht.
Sein »Elend« war, wie Joachim Pfeil hinweist, eine Beinamputation vor mehr als 30 Jahren. Der gelernte Bäcker, der damals als Fernfahrer arbeitete, hatte einen Unfall, und kurz darauf stellten Ärzte die Diagnose Krebs. »Ich will leben, sagte ich mir«, erzählt der Engeraner. Er nahm Therapien auf sich und war nach mehr als einem Jahr genesen. Weil er in seinem Beruf nicht mehr arbeiten konnte, machte er 1968 eine Umschulung zum kaufmännischen Angestellten, arbeitete zunächst in einer Zigarrenfabrik in Bünde, dann in einer Tischlerei im Büro und schließlich bis zu seiner Pensionierung beim Finanzamt in Bünde.
Aufgrund seiner Behinderung hatte er sich zwischenzeitlich einer Behindertensportgruppe angeschlossen. Hier erwarb er den Übungsleiterschein. Alle paar Jahre muss er ihn erneuern, »jetzt gehe ich wieder zur Schulung«, erwähnt er nebenbei.
»Wichtiger ist mir: Ich bin gesund, ich will es bleiben und ich will mich fit halten«, sagt der jetzt 67-Jährige. Über die Behindertensportgruppe, die in Ennigloh beheimatet ist und der er noch heute angehört, wurde Pfeil animiert, einen Kreis mit Gleichgesinnten zu übernehmen, die etwas bewegen und »nicht den Kopf hängen lassen« wollten.
»In Bünde hatte ich mit so einer Gruppe angefangen und dann mitbekommen, dass unter dem Dach des Deutschen Roten Kreuzes so was auch für Enger und Spenge in die Wege geleitet werden sollte.« Das war 1999 im Winter. Pfeil gründete den »Behindertenkontaktkreis« mit Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes und des Sozialamtes der Stadt, bekam in den Räumen des DRK in Enger an der Mathildenstraße einen Platz und hat dort seit dieser Zeit einmal monatlich Gruppentreffen. »Mit zehn Leuten fing ich an«, erinnert sich Pfeil, »die standen beim ersten Mal alle vor der Tür.«
Mit lauter Stimme und klarer Ansage hält er die zwei Dutzend Beteiligten zusammen und bei Laune. Gemeinsam wird ein Bündel von Vorhaben abgesprochen, das sich vornehmlich um Unternehmungen rankt. »Ich selbst kann überall hin«, sagt Pfeil. »Aber es gibt Menschen, die können das nicht. Und genau denen mache ich Mut, ermuntere sie und aktiviere sie und helfe, wenn es sein muss, nach.«
Die Behinderten sitzen zwei Stunden in der Runde zusammen und reden und planen. Einige haben unter den Folgen von Kriegsverletzungen oder einer Kinderlähmung zu leiden, andere sind stark gehbehindert, einer ist auf den Rollstuhl angewiesen. Damit auch wirklich jedes Gruppenmitglied kommt, organisiert Pfeil stets einen Abholdienst mit seinem eigenen Wagen. »Die meisten schaffen es hierher, aber nicht wieder nach Hause.« Also fährt Pfeil mit eigenem Wagen etliche Kilometer nach dem zweistündigen Treffen durch die Stadt und bringt seine Schützlinge nach Hause. »Die meisten kommen zu selten aus ihrer Wohnung heraus, hier aber können sie miteinander reden, hier bewegt sich etwas, die Gruppe bewegt etwas«, begründet Pfeil das Interesse der Teilnehmer. »Einer ist für alle da und alle für einen, und wenn ich sehe, dass alle immer wieder gerne kommen, gibt mir das Auftrieb.«
Die zwischen 58 und 82 Jahre alten Männer und in der Mehrzahl Frauen sorgen bei den Zusammenkünften nebenbei für Kaffee und Kuchen und Kekse. Sie planen mit und geben Anregungen. »Ich freue mich, wenn ich sehe, dass das alles gut klappt, jeder hilft so gut er kann und das ist schön«, sagt Pfeil. Er selbst dagegen will bleiben, wie er ist: »bescheiden«. »Ich will nämlich keine Erwartungen hegen, die unerfüllbar sind. Aber Schwierigkeiten, die sich einem in den Weg stellen, die räume ich beiseite.«

Artikel vom 28.01.2006