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Mindestalter 55: Dieser Chef
stellt nur ältere Arbeitslose ein

Möbelunternehmer Hans Lünse setzt auf Erfahrung und Umsicht

Von Christian Althoff
Herford (WB). Von Arbeitslosen, die bei ihm einen Job finden wollen, verlangt Möbelunternehmer Hans Lünse aus Herford eine ganz besondere Voraussetzung: »Die Bewerber müssen mindestens 55 Jahre alt sein!«

»Arbeitslose über 50 Jahre haben es schwer«, sagt Anja Rirsch, Vermittlerin bei der Agentur für Arbeit in Herford. Geringere körperliche Leistungsfähigkeit, schlechtere Gesundheit, weniger geistige Flexibilität, keine Kenntnisse aktueller Computerprogramme - das seien die gängigsten Vorurteile vieler Chefs. »Manche sagen uns ganz offen, dass sie niemanden über 50 haben wollen - obwohl das Alter für unsere Vermittlungsbemühungen kein Kriterium ist.«
Die Ansicht, ältere Arbeitslose seien schlecht zu gebrauchen, kann Hans Lünse nicht nachvollziehen: »Dann müssten ja auch alle Unternehmer und Politiker das Handtuch schmeißen, wenn sie diese Altersgrenze erreicht haben«, sagt der Herforder. Er verkauft in der Nähe der Autobahn 2-Anschlussstelle Ostwestfalen-Lippe auf mehreren tausend Quadratmetern Gartenmöbel, die er aus aller Welt importiert. Selbst aus dem Ruhrgebiet und dem Raum Hannover reisen die Kunden an: »Und die erwarten, qualifiziert beraten zu werden«, sagt der Unternehmer.
Bis zu acht Verkäufer beschäftigt Hans Lünse jedes Jahr in der Saison zwischen April und Oktober. Eine Stelle ist noch frei, vielleicht sogar eine zweite - und um diese Jobs reißen sich derzeit die Bewerber. »Nachdem ich am Samstag per Inserat nach einem mindestens 55 Jahre alten Verkäufer gesucht hat, klingelt hier nur noch das Telefon. Nach dem 50. Anrufer habe ich aufgehört zu zählen«, sagte gestern der Kaufmann gestern, der selbst 55 Jahre alt ist und nicht verstehen kann, dass viele Menschen seines Alters auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben sollen: »Die Erfahrung, die ein 55-Jähriger mitbringt, kann man doch durch nichts ersetzen. Ich habe gar nicht die Zeit, einen jüngeren Verkäufer erst zu schulen.« Hans Lünse stellt sich einen Mitarbeiter vor, »der mit offenen Augen durch den Betrieb geht, nicht lange fragt, sondern die Arbeit sieht und zupackt. Und der unsere Kunden freundlich und kompetent berät.«
Bei einem anfänglichen Stundenlohn von acht Euro kann niemand Reichtümer anhäufen. Und doch ist die befristete Stelle begehrt: »Unter den Bewerbern sind Selbständige, die mit ihrer Firma Schiffbruch erlitten haben, Betonarbeiter, Drucker, Arbeitslose aus der Holzbranche - die ganze Palette.« Immerhin sind derzeit allein in Nordrhein-Westfalen 131 426 Menschen über 55 Jahre arbeitslos gemeldet - 13 Prozent der insgesamt 1 032180 Arbeitssuchenden. Einer von ihnen ist Monteur Paul L. (59) aus Spenge, der mehr als 20 Jahre in einer Möbelfabrik gearbeitet hatte und sich auch bei Hans Lünse beworben hat: »Nach der Pleite meines Arbeitgebers suche ich jetzt schon seit mehr als einem Jahr eine neue Stelle. Der Job als Möbelverkäufer wäre zumindest wieder ein Einstieg. Mein Alter sollte kein Hinderungsgrund sein: Ich fühle mich topfit!«

Artikel vom 20.01.2006