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Außenminister Steinmeier:
»BND-Skandal wird inszeniert«

Opposition uneins über den Auftrag eines Untersuchungsausschusses

Berlin (Reuters/dpa). Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat den Bundestag aufgerufen, einer Skandalisierung des BND-Einsatzes im Irak-Krieg selbstbewusst entgegen zu treten. Er warnte FDP und die Grünen, mit einem Untersuchungsausschuss Anti-Amerikanismus hoffähig zu machen.

»Als politische Klasse haben wir uns insgesamt keinen Gefallen getan, indem wir uns mit zuviel Demut vor der Inszenierung eines politischen Skandals verneigt haben«, sagte Steinmeier am Freitag in der Bundestagsdebatte über den Einsatz des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Irak. Wenn es entgegen den bisherigen Anzeichen Fehlverhalten gegeben habe, müsse dieses aufgeklärt werden. »Wir müssen dabei aber das Selbstbewusstsein aufbringen, das eines Landes wie Deutschland würdig ist«, betonte Steinmeier. Einziges Ziel der Debatte sei es, dass Nein der Vorgängerregierung zum Irak-Krieg in Misskredit zu bringen.
Die Opposition beharrt auf weiterer Aufklärung über die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Irak-Krieg. Ein Untersuchungsausschuss ist aber nach wie vor fraglich. FDP und Linkspartei pochten am Freitag in der Bundestagsdebatte auf Einsetzung eines solchen Gremiums. Bei den Grünen gab es keine eindeutige Festlegung. Am Montag wollen sich die Fraktionsspitzen erneut um eine Entscheidung bemühen.
Union und SPD appellierten eindringlich an die Opposition, auf einen Untersuchungsausschusses zu verzichten, um die Arbeit der Geheimdienste und damit auch die Sicherheitslage in Deutschland nicht zu gefährden.
Die Grünen machten ihre Zustimmung zu einem Untersuchungsausschuss von einer Einigung über den genauen Auftrag zu ihren Bedingungen abhängig. Wenn dort »Geschichtsklitterung« betrieben werden solle, werde man nicht mitmachen, signalisierte Fraktionschefin Renate Künast. Die damalige rot-grüne Bundesregierung habe mit ihrem Nein zum Irak-Krieg Stand gehalten. »Das lassen wir uns von niemandem nehmen«, betonte sie. Künast bescheinigte der großen Koalition, sie habe die Aufklärung vorangetrieben. Die Grünen seien bereit, beim Treffen mit den anderen Fraktionsspitzen am Montag über das weitere Vorgehen zu reden. Ohne Zustimmung der Grünen können FDP und Linkspartei den Ausschuss nicht durchsetzen.
Für FDP-Chef Guido Westerwelle ist ein solches Gremium schon aus Gründen der »Selbstverteidigung des Rechtsstaats« unverzichtbar. Neben den BND-Aktivitäten müssten dabei auch andere »Grauzonen« wie die CIA-Gefangenenflüge und die Verschleppung deutscher Staatsbürger durch US-Dienste untersucht werden. Er könne nicht ausschließen, dass auch die Rolle des früheren Außenministers Joschka Fischer von den Grünen »umfangreich beleuchtet« werde, kündigte er an.
Steinmeier nannte die Oppositionsmanöver einen »durchsichtigen Versuch«, das klare Nein von Rot-Grün zum Irak-Krieg nachträglich in Zwielicht zu ziehen. Die deutsche Politik dürfe sich nicht länger ihre Tagesordnung von anonymen Zeugen in Fernseh- und Zeitungsberichten diktieren lassen. Nach seinen Worten würde mit einem BND-Ausschuss über Monate hinweg »Anti-Amerikanismus und NATO-Ablehnung hoffähig« gemacht. Der FDP warf er vor, mit ihrer jetzigen Diskreditierung deutscher Außenpolitik opfere sie auch den Kurs früherer FDP-Ressortchefs wie Hans-Dietrich Genscher.
Für Unions-Parlamentsgeschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses unbestrittenes Recht der Opposition. Sie müsse aber auch den Schaden für die Sicherheitslage im Auge behalten. Für eine Aufklärung sei das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) besser geeignet, sagte Röttgen. Nach Ansicht von SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz steht ein BND-Ausschuss vor der Gefahr, sich lächerlich zu machen, weil alle Fakten bereits bekannt seien. Hans-Peter Uhl (CSU) schlug vor, das PKG solle einen Sonderermittler einsetzen. Dies lehnte die FDP als unzureichend ab.

Artikel vom 21.01.2006