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Kein Gedanke an Abschied: Wie seine Mitstreiter auch zeigte sich Paul Kuhn agiler denn je.

Der Swing lässt sie noch
einmal groß aufspielen

»Standing Ovations« für Greger, Kuhn und Strasser

Von René Gast (Text und Fotos)
Bielefeld (WB). Zusammen mit der SWR Bigband hauchen die Swing-Legenden, Max Greger (79), Paul Kuhn (77) und Hugo Strasser (83) den Kompositionen von Glenn Miller und Duke Ellington neues Leben ein. »Musik als Frischzellenkur« - die immergrünen Klassiker verleihen umgekehrt den großen alten Herren schier unvergleichliche Lebensfreude.

Es ist schon ein kleines Wunder, dass Hugo Strasser wieder auf der Bühne steht und nach Aussage seines lieben Freundes Max Greger »sogar noch besser spielt als vorher.« Denn noch vor gut vier Monaten lag der Klarinettist für 16 Tage im Koma, dachte jedoch bereits während des Erwachens sofort an die große Bühne, auf der er heute wieder steht. Gemeinsam mit Paul Kuhn, der ebenfalls im letzten Jahr schwer erkrankte und in zwei Operationen jeweils einen Bypass erhielt, und dem unverwüstlichen Max Greger bildet er das Trio der Swing-Legenden, das an diesem Abend, live mit der Bigband, den Kompositionen aus der großen Ära der Tanzmusik ihre Reverenz erwies.
Es kommt nicht von ungefähr, dass es Max Greger war, der durch das Programm führte. Der große Saxophonist fühlte sich in seiner Rolle als rüstiger Unterhalter sichtlich wohl, und machte einen besonders frischen Eindruck. Stets zu Scherzen aufgelegt, schnippte der charmante Bayer zum Sound der großartig aufspielenden Bigband mit den Fingern. Nur hin und wieder griff er zu seinem Saxophon und drückte bei Kompositionen wie der »Moonlight Serenade« und dem »One O«Clock Jump« den SWR-Musikern seinen Stempel auf. Die rappelvolle Stadthalle dankte es ihm prompt mit einem ebenso warmen wie kräftigen Applaus.
Liebevoll kündigte Greger seinen Freund Hugo Strasser an, der, obwohl er vor einigen Monaten noch künstlich beatmet werden musste, wieder genügend Luft hatte, mit seiner Klarinette gegen die gewaltige Band anzuspielen. Doch erst Paul Kuhn, der Pianist und Sänger, stellte klar, was man langsam zu vermuten begann: Von wegen Abschiedstournee - die Swing-Legenden machen auch in Zukunft weiter.
Bei Welthits wie »When the Saints go marching in«, »Mack the Knife« und »Stardust« schwelgte das Publikum in Erinnerungen, und ließ sich von dem herrlichen Blues-Klavier, den dominanten Bläsern und Jörg Gebhardts krafvollem Schlagzeug verzaubern. »Wie kann sich ein Mensch freiwillig so anstrengen?«, fragte Max Greger nach einem beherzten Schlagzeug-Solo im Scherz. Die 17 Mann starke Band, inklusive Klaus Wagenleiter am Flügel, bereitete nicht nur ihrem Bandleader helle Freude. Immer wieder schnippte Greger zu dem Swing-erfüllten Sound und ließ sich von den »Zick Sisters« betören, drei eleganten Damen, die das Publikum mit Liedern wie »Somewhere over the rainbow« verzückten.
»Jetzt machen wir einen drauf, komm lass uns spielen!« Max Greger holte in einem fulminanten Finale noch einmal alles aus sich heraus und stachelte seinen Freund Paul Kuhn nochmals an, alle Register zu ziehen. Die Swing-Legenden trumpften zum letzen Mal an diesem Abend groß auf und rissen das Publikum von den Sitzen, bis die obligatorischen letzten Zeilen erklangen: »Die Show ist aus, es ist vorbei. Unsere Hotelbar schließt gleich . . .« Nach gut zweieinhalb Stunden mit 239 Jahren Musiklegende ging es leise swingend zu Ende, bis die drei großen Männer schließlich unter tosendem Applaus verschwanden.

Artikel vom 20.01.2006