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Leitartikel
»München« erinnert an 1972

Sicherheit -
bei der WM
sicher dabei?


Von Andreas Schnadwinkel
Harald Schmidt scheint recht zu behalten. Jüngst bemerkte das satirische Gewissen der ARD, was er von 2006 erwarte: dass wir Deutsche es schaffen, uns die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land kaputtzureden. Und Schmidt, der alte Menschenkenner und profunde Medienprofi, lag mit dieser Prognose richtig: erst die »sozial ungerechte« Verlosung der Eintrittskarten, dann die vermeintlichen Baumängel an den WM-Stadien und schließlich die Absage der Eröffnungsgala in Berlin, die übrigens nichts mit der offiziellen Eröffnung des Turniers am 9. Juni in München zu tun hat, sondern im Grunde eine Erfindung Gerhard Schröders war.
Was kommt als nächstes, das die positive Grundstimmung im WM-Jahr stören könnte? Die Drohung der Bahn-Gewerkschaft mit einem Streik während des Weltereignisses? Unabhängig von den genannten medialen Aufgeregtheiten ist die Sicherheit bei dem Turnier ein ernstes Thema.
Am Donnerstag kommt ein Film in die Kinos, der in diesem Zusammenhang für Deutschland, die Tragweite der WM und den Eröffnungsort eine besondere Bedeutung hat. Steven Spielbergs »München« beginnt mit dem Attentat palästinensischer Terroristen auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München und schildert - fiktiv! - die Folgen für Israels Mossad-Geheimdienstagenten.
Für den Regisseur, selbst jüdischen Glaubens, bedeutet die Stadt mehr als Olympia 1972. München gibt dem Drama den Titel, obwohl es nur Ausgangspunkt der Handlung ist. Spielberg denkt hier in einer Linie von den Anfängen Hitlers in München bis zum Anschlag während der »fröhlichen Spiele« in selbiger Stadt.
Zwei Jahre nach dem traurigen Sommer fand bereits die nächste Weltveranstaltung in München statt: das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 zwischen Gastgeber Deutschland und Holland im Olympiastadion. Und 32 Jahre später nun, am 9. Juni 2006, ist München erneut Schauplatz von globalem Interesse.
Machen wir uns nichts vor: In Zeiten des Islam-Terrors stellt eine Fußball-WM - aus Sicht der Attentäter -Êein natürliches Anschlagsziel dar. Denn zwar hat sich Israel nicht qualifiziert, aber das USA-Team dürfte in Sicherheitskreisen als gefährdet gelten.
Bei Licht besehen machen die Diskussionen der vergangenen Wochen deutlich, wie ernst die Lage während des Turniers sein wird. Nicht von ungefähr hat Innenminister Wolfgang Schäuble Awacs-Aufklärungsflugzeuge der NATO für die Luftüberwachung angefordert; sie flogen auch bei Olympia 2004 über Athen.
Dass der Einsatz von Bundeswehrsoldaten für Polizeiaufgaben gegen die Verfassung verstößt, ist Schäuble klar. Es geht jedoch, wie dies gern bewusst falsch behauptet wird, nicht darum, Panzer vor den Stadien zu postieren. Noch gibt das Gesetz es nicht her, dass Soldaten die Polizei beim reinen Objektschutz entlasten. Während der WM hätte das indes sehr wohl Sinn gemacht.

Artikel vom 24.01.2006