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Aus Langsamkeit Vorteile
für das Leben ziehen

Prof. Kleindienst-Cachay rät zu Sten Nadolny - Tipp 10


Bielefeld (sas). Erstmals haben Wissenschaftler der Universität in diesem Semester Literaturtipps für Studienanfänger gegeben: Romane, Sachbücher oder Krimis legen sie den Studierenden ans Herz. Wir veröffentlichen einige dieser Empfehlungen - wie die von Prof. Dr. Christa Kleindienst-Cachay.
Ihr selbst ist vor einigen Jahren von Studierenden »Die Entdeckung der Langsamkeit« von Sten Nadolny ans Herz gelegt worden. »Und weil es für mich wirklich klasse war, wollte ich es weiterempfehlen«, erklärt die Wissenschaftlerin, die an der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft lehrt.
Erzählt wird die Geschichte von John Franklin, der mit einem Handicap geboren wird: »Er hat das, was man heute eine Integrationsstörung nennen würde: Es fällt ihm schwer, verschiedene Sinneseindrücke parallel zu verarbeiten, also zum Beispiel Gesehenes und Gehörtes.« Franklin aber, der spätere Seefahrer und Entdecker der berühmten Nordwestpassage lernt, damit umzugehen, und zieht sogar Vorteile daraus.
Das beginnt bereits in seiner Kindheit, als er zwar nicht mit den anderen Kindern Ball spielen kann, weil er den Ball schlicht nicht fangen kann, dafür aber die Schnur hochhält - so lange, wie kein anderer. In der Schlacht von Trafalgar ist seine Langsamkeit von Vorteil, weil er erst minutiös beobachtet, bevor er dann richtig handelt, statt sinnlos Seeleute zu verheizen. Und vor seiner Entdeckungsfahrt berechnet er die Route sehr ausführlich . . .
»Das Buch ist für jeden Pädagogen eine wichtige Lektüre, weil es Demütigungsprozesse subtil beschreibt und einen schwierigen Sozialisationsverlauf schildert; schwierig ist er aber vor allem wegen der Umwelt, denn das Individuum passt sich an.« Darüber hinaus, sei es wunderbar geschrieben, findet Kleindienst-Cachay.
Dass sie als Sportwissenschaftlerin just die »Entdeckung der Langsamkeit« propagiert, ist keineswegs widersprüchlich, denn es geht ihrer Disziplin längst nicht nur um das »schneller, höher, weiter«: »Wir erforschen ebenso Bewegungsprozesse - auch die von Menschen mit Handicap.« Dabei geht es um die Frage, welche Kompetenzen über Bewegung, Spiel und Sport erworben werden können, und wie die Motivation erzeugt werden kann, lebenslang aktiv zu sein.
Derzeit liest die leidenschaftliche Bücherfreundin Christa Kleindienst-Cachay gerade »Schnee« von Orhan Pamuk.
In der kommenden Woche folgt die Literaturempfehlung von Prof. Dr. Ipke Wachsmuth.

Artikel vom 20.01.2006