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Fette Beute:
zwei Eier in
der Tupperdose

Kontrolle gegen Vogelgrippe

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). »Juhu, ich hab hier zwei Hühnereier!« Mit einem Jubelruf, aus dem Ironie tropft, präsentiert der Zollhauptsekretär seinen Fund. 9.15 Uhr an der A2, Parkplatz Brönninghausen. Schwerpunktkontrolle wegen Vogelgrippe.

»Sinnvoller wäre es, wenn die Durchsuchungen bereits an den Außengrenzen erfolgten, damit das Zeug gar nicht erst ins Land kommt«, grummelt ein Betriebsinspektor von der Mobilen Kontrollgruppe (MKG) des Bielefelder Hauptzollamts. Das »Zeug« sind Geflügelprodukte aus den von der Vogelgrippe betroffenen Ländern Asiens und Osteuropas. Sei's drum: Das Veterinäramt hatte die MKG um Unterstützung gebeten, also wurden gestern zehn Lastkraftwagen und ein Reisebus überprüft.
9.05 Uhr. Der Bulli mit den beiden MKG-Leuten und der Tierärztin Dr. Maren Bock lotst einen LKW mit ukrainischer Kennung auf den Rastplatz. Der Fahrer, Mansur G., hat Eisenrohre geladen und will nach Köln. Eisenrohre? »Ganz recht«, sagt Maren Bock. »Wir begutachten hier ja nur den persönlichen Proviant der Fahrer.«
Die VB-Kontrollen, des für »Verbote und Beschränkungen« zuständigen Zolls seien für seine Behörde »Neuland«, erklärt Pressesprecher Stephan Peters. Was auf Flughäfen üblich ist, hat an der Autobahn erst seit den neuen - kaum überschaubaren -Ê »tierseuchenrechtlichen Bestimmungen« an Bedeutung gewonnen.
»Kürzlich in Paderborn haben wir 150 Kilo Lebensmittel aus einem Bus geholt«, berichtet Peters - Mitbringsel aus der Heimat der Reisenden für Verwandte und Freunde in Deutschland.
Die beiden Zollexperten nehmen den Laster aus der Ukraine gründlich unter die Lupe. Auf der Ladefläche ist nichts (außer Eisenrohren), im Versorgungsfach liegen Wasserflaschen und ein paar Fleischwaren, die Mansur G. samt und sonders in Polen gekauft hat, wie die Etiketten beweisen.
Polen als Herkunftsland ist unverdächtig, die Alarmglocken schrillen bei Geflügel aus Indonesien, Kambodscha, Kasachstan, Kroatien, Laos, Malaysia, der Mongolei, Nordkorea, Pakistan, Rumänien, Russland, Thailand, der Türkei, der Ukraine, Vietnam und China, wo die Vogelgrippe bereits aufgetreten ist. Außerdem verboten ist die Einfuhr von Geflügel aus Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Irak, Iran und Syrien, wo das Risiko als besonders hoch eingeschätzt wird. »Aber unsere Aktionen bewirken, dass die Fahrer Informationen austauschen«, versichert Maren Bock. Viele versuchten dann gar nicht erst, inkriminierte Lebensmittel mitzuführen.
Dann findet der Zoll die beiden Eier. Die kommen in einen Plastiksack und werden entsorgt. Mansur G. nimmt's gelassen hin - er weiß, worum es den deutschen Behörden zu tun ist. »Letztens hatten wir aber einen Rumänen, der keine Ahnung hatte, dass auch seine Heimat von der Vogelgrippe betroffen ist«, erzählt Zollsprecher Peters.
Eine halbe Stunde später geleiten die Beamten einen türkischen Lkw auf den Parkplatz, der von zwei Rumänen gesteuert wird. Ladung: Handtücher. Im Verpflegungsfach liegen deutsche Mettwürste und deutsche Sahne. Dazu abgepacktes Schweinefleisch aus Bulgarien. »Wenn das aus der Türkei wäre, hätte ich es konfisziert«, sagt Maren Bock. »Und zwar wegen der dort grassierenden Maul- und Klauenseuche.«
Bilanz der Aktion: »Die fünf türkischen Lkw-Fahrer wussten von der Gefahr durch Vogelgrippe, führten aber insgesamt zehn Kilo Lebensmittel mit - Feta, Butter, Mayonnaise -, die wir wegen Maul- und Klauenseuche einsammeln mussten«, berichtet Peters. Anders die vier Ukrainer: Bei ihnen fanden die Kontrolleure zehn Kilo Geflügelprodukte. Der Lkw aus Rumänien war »sauber«.
Und bei den Busreisenden, die am Nachmittag - aus dem russischen Saratow kommend und unterwegs nach Aachen - auf dem Kesselbrink eintrafen, fand sich ebenfalls nichts Verbotenes.
Trotzdem: Gut, dass mal einer nachgesehen hat . . .

Artikel vom 19.01.2006